Engel der Kindheit
zu sich nehmen!“ Ernst sah Schwester Sarah Nils an. Zu gut wusste er, was dieser Blick bedeutete. Wenn Sam nicht genug zu sich nahm, musste er künstlich ernährt werden, das hatte der Professor ihm am Nachmittag erklärt.
Sein Möglichstes versuchte Nils, nahm Sam über seine Schulter, klopfte ihm leicht auf den Rücken, erst nach über fünfzehn Minuten öffnete Sam zornig die Augen, schrie über die Störung, die ihn nicht schlafen ließ, trank aber einen Großteil der Flasche leer. Zufrieden und voller Stolz, betrachtete Nils die Leistung, die sein Sohn vollbracht hatte.
„Kann ich ihn mit nach Hause nehmen?“ Flehend sah Nils die Säuglingsschwester an, die die Anweisung des Professors erhalten hatte, dass Herr Keller sein Kind erst nach Hause nehmen durfte, wenn es genug getrunken hatte.
„Sie melden sich jeden Tag bei Ihrem Kinderarzt?“ Streng sah sie den eigenwilligen Mann an, dessen Frau kein Interesse an dem Baby hatte.
„Jeden Tag!“ Zum Schwur hob Nils die Hand.
„Dann wünsche ich Ihnen viel Glück mit dem Kleinen!“ Zunickend nahm Schwester Sarah Nils das Fläschchen ab, stellte es an den Spülstein und sah das zufriedene, glückliche Lächeln in Nils Gesicht.
„Danke, Sie sind ein Schatz!“ Noch etwas unbeholfen zog Nils seinem Sohn eine winzig kleine Jacke über, da der Frühling im September noch nicht seinen Einzug gehalten hatte und ein kalter Wind vom Meer über das Land wehte.
Sein erster Weg mit seinem Sohn führte ihn zum Strandhaus, in dem immer noch Sven und meistens auch Alison wohnte.
Stolz nahm er Sam aus dem Kindersitz, aufgewühlt sah er in sein schlafendes Gesicht, konnte das Wunder nicht fassen, dass aus einer Eizelle und einer Samenzelle ein kompletter Mensch entstanden war. Laut klopfte er an der Eingangstüre.
In verdreckten Arbeitsklamotten öffnete Sven ihm, gerade eben war er von der Werft gekommen.
„Mensch Nils!“ Überrascht und fasziniert sah er seinen besten Freund, mit dem kleinen Baby auf dem Arm, im Türrahmen stehen.
„Er heißt Sam! Ist er nicht umwerfend?“ Stolz präsentierte er ihn in seiner Armbeuge.
„Ist er! Komm rein! Ich bin gerade von der Arbeit gekommen! Alison ist noch nicht zu Hause!“ Auffordernd zog Sven Nils am Ellenbogen ins Wohnzimmer.
„Du musst mir alles erzählen, wie geht es Marie-Luise?“ Am Tisch setzte Sven sich Nils gegenüber und betrachtete gerührt, wie liebevoll dieser mit seinem Sohn umging.
„Bösartig und giftig, wie eh und je!“ Entmutigt zuckte Nils die Schultern. In allen Einzelheiten erzählte er den Ablauf des ganzen Tages, auch von seinem Vorsatz, die Ehe zu retten, damit sein Sohn beide Elternteile hatte und von ihrer schneidenden Erwiderung. Wieder und wieder, bis ins kleinste Detail ausführend, beschrieb Nils das wunderbare Gefühl, den winzigen warmen und nackten Körper auf der Haut gespürt zu haben.
„Hast du je wieder etwas von Lena gehört?“ Unvermittelt fragte Sven, der wusste, wie sehr sein Freund unter der kalten Verbindung zu Marie-Luise litt.
„Nie wieder!“ Zärtlich streichelte Nils die weiche Backe seines Sohnes. So musste er Sven nicht in die Augen sehen, der darin unweigerlich den Schmerz sehen würde, der sein Herz zerriss.
„Wie geht es jetzt weiter?“ Abwartend trank Sven einen Schluck aus seiner Bierflasche.
„So wie immer!“ Abrupt erhob Nils sich, er wollte nicht an das erinnert werden, was er für alle Zeit verloren hatte. „Sei mir nicht böse, aber ich muss weiter, Maria wartet zu Hause darauf, ihren kleinen Schützling kennenzulernen!“
Verstehend begleitete Sven Nils zur Türe. Aus der Ferne sah er Alison, die auf dem Fahrrad zum Strandhaus fuhr.
Aufgeregt fuchtelte sie mit den Armen, denn sie wollte auf keinen Fall das Baby verpassen.
Schnell warf sie ihr Fahrrad zu Boden und eilte auf Nils zu, warf sich ihm an den Hals und gratulierte ihm stürmisch.
„Lass dich ansehen, du frisch gebackener Vater! Gut siehst du aus.“ Dann starrte sie entzückt auf Sam. „Mein Gott, ist der winzig und so schmal und spitz!“ Bedauernd blickte sie zu Nils, sie wusste woher das kam, Nils hatte sich oft darüber aufgeregt, dass Marie-Luise nicht genug aß.
„Aber zum Glück musste er nicht in den Brutkasten!“ Stolz erzählte er Alison, wie er ihn über zwei Stunden lang gewärmt hatte.
„Ich glaube, du wirst der beste Vater, den sich dein Kind wünschen kann! ... Nils, ich bewundere dich, dass du für dein Kind deine große Liebe aufgegeben hast!“
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