Engel der Kindheit
Kindersitz auf dem Rücksitz dachte, aber Nils kam schon auf sie zugelaufen, locker seine Reisetasche in der Hand.
Geschwind stieg Lena auf der Fahrerseite ein, Nils öffnete die Beifahrertüre und verstaute seine Tasche. Zwar sah er den Kindersitz, dachte sich aber nichts dabei, für ihn war es vollkommen normal, dass Lena sich um ihre kleine Schwester kümmerte.
„In Australien ist das Lenkrad auf dieser Seite!“ Lächelte Nils, da es ungewohnt für ihn war, auf der für ihn gewohnten Seite kein Lenkrad vor sich zu haben.
Schleunig legte Lena den Rückwärtsgang ein, fuhr aus dem Carport, nur so zügig wie möglich wollte sie fort von hier.
Als sie ihre Tochter im Rückspiegel vergnügt aus dem Haus springen sah, wusste sie, wie knapp sie der Begegnung entkommen war.
„Wohin?“ Um ein befreites Ausatmen zu unterdrücken stellte sie ihm die Frage. Erleichtert sah sie zu Nils, der abenteuerlich aussah, mit seinen unrasierten Wangen. Abenteuerlich und umwerfend männlich!
Durch ein Meer von zartrosa blühenden Apfelbäumen und leuchtend violettem und schneeweißem Flieder, der wie lange, dicke Kerzen im Grün des Laubes herausstach, fuhren sie.
Überlegend sah Nils auf seine Armbanduhr. „Irgendwo sollten wir noch frühstücken, ich habe nur den Fraß im Flugzeug zu mir genommen.“ Es war zwanzig vor neun, sie hatten noch genügend Zeit.
„Wo ist der Notar?“
„An den Landungsbrücken! Direkt am Hafen!“
Wissend nickte Lena und fuhr sicher in die Innenstadt von Hamburg, stellte ihr Auto auf einem Parkplatz ab, löste einen Parkschein, legte ihn auf das Armaturenbrett und trat lächelnd zu Nils. Sehnsuchtsvoll schoben sich ihre Finger in seine breite, starke Hand. Sofort löste Nils sich wieder von ihr, nur um den Arm verlangend um Lenas Schultern zu schlingen. Schlendernd gingen sie zu den Landungsbrücken und fanden ein kleines Straßencafe, das ein reichhaltiges Frühstück anbot. Kleine runde Tische mit blauglänzenden Lacktischdecken und weißen Plastikstühlen standen, von der Sonne angestrahlt, vor dem Cafe. Unter ihnen plätscherte der vertraute Ton der fließenden Elbe, sie hörten die Schiffshupen und Sirenen, die im Hafengebiet immer und überall zu hören waren.
Nachdem sie ihr Frühstück bestellt hatten, sahen sie sich tief in die Augen. Beide waren unendlich dankbar, dass sie den Abschied noch etwas vor sich herschieben konnten.
„Erzähl mir von Sam, ich weiß noch gar nichts von ihm!“
Ineinander hatten sich ihre Hände verschlungen.
Ein strahlendes Lächeln erhellte Nils Gesicht, als er an seinen Sohn dachte. „Er war so winzig klein, als er auf die Welt gekommen ist. Marie-Luise hat sich für einen geplanten Kaiserschnitt entschieden, sie wollte die Strapazen der Geburt nicht mitmachen, außerdem wollte sie sich gleich sterilisieren lassen. Ich habe ihn nach der Geburt auf den Bauch bekommen! Du kannst dir nicht vorstellen, was das für ein Gefühl ist, diesen warmen, kleinen Körper im Arm zu halten! Es war überwältigend. Ich konnte von nichts anderem erzählen! Sven und Alison haben sich schon die Ohren zugehalten, wenn ich es ihnen wieder und wieder beschrieben habe.“, feixte er. „Nein, so schlimm war es nicht, aber es hat uns zusammengeschweißt. Findest du es verrückt, aber er schläft jede Nacht in meinem Bett?!“ Unsicher sah er sie an. Unablässig beschimpfte Marie-Luise ihn als sentimentalen Schwachkopf, als verweichlichten Waschlappen, wenn sie ihn sah.
„Ich finde es nicht verrückt! Ich wusste, dass du einmal ein guter Vater werden würdest! Weißt du noch, du hattest immer Angst davor!“ Voll Liebe streichelte Lena über seine Wange, ihre Augen versanken in dem bodenlosen Blau seiner Augen.
„Ja, ich weiß, ich dachte, ich kann nie Liebe geben, da ich nie welche empfangen habe, hatte Angst, dass ich genauso werde, wie mein Vater, aber ich hatte dich! Du hast mir beigebracht die Welt mit deinen Augen zu sehen! Lena, deshalb konnte ich auch nicht abhauen und mein Kind zurücklassen, sonst wäre ich zu dir gekommen!“ Flehend bat sein Blick sie um Verständnis.
„Ich weiß es, ich hätte nichts anderes von dir erwartet!“
Klar sagten ihre Augen ihm, dass sie ihm deswegen nicht böse war, sie hatte für alles Verständnis, was aus Liebe geschah.
Übel gelaunt stellte die ruppige Bedienung das Tablett vor ihnen ab, auf dem sie ihre gefüllten Teller und zwei große Pott Kaffee balanciert hatte, augenblicklich wollte sie bezahlt werden.
Aus der
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