Engel der Kindheit
und der Einrichtung des neuen Hauses ins Land gegangen. Noch ließ nichts erahnen, dass der Frühling sich über das klirrendkalte Land ausbreiten würde. Verborgen hielten die Bäume ihre zarten Knospen und saftig grünen Blätter wohlweislich noch zurück, solange es nachts noch bitterkalt war.
Glücklich hielt Lena ihr Baby im Arm. Heute Morgen war sie aus dem Krankenhaus entlassen worden. Erstaunt stand Babs neben ihrem gemütlichen Sessel und betrachtete neugierig ihre kleine Schwester. „Mami, warum ist die Nele so klein?“ Behutsam fuhr Babs kleine Hand über das dunkle, schnurglatte Haar ihrer Schwester.
„Du warst auch mal so klein, mein Schatz!“ Zärtlich streichelte Lena das blonde Lockenhaar ihrer großen Tochter, die im nächsten Monat fünf Jahre alt werden würde.
„Das kann nicht sein!“ Energisch schüttelte Babs den Kopf.
„Und ob! Du warst sogar noch ein ganz klein wenig kleiner!“ Verschmitzt lächelte Lena ihr zu, legte Nele in den Stubenwagen, den sie in dem hellen, offenen Wohnzimmer stehen hatte. Sämtliche Wände, an denen zumeist Bilder unterschiedlichster Bäume hingen, waren in zarten Pastellfarben gestrichen. In einem klaren Sonnengelb hatte sie das Wohnzimmer gehalten. Das kuschelig weiche Sofa war mit dem Hauch eines leichten Himmelblaus überzogen, ein niederer, mattierter Glastisch stand davor. Aus ebensolchem matten, sandgestrahlten Glas war der lange Esstisch, dessen pastellgrüne Lederstühle eine schlichte, langgezogene Form hatten. Die aufgelockerte Schrankwand und die niederen Sideboards im Esszimmer, das sich direkt an das Wohnzimmer anschloss, bestanden aus einem hellgebeizten Naturholzkorpus. Durch eine offene Theke getrennt, schloss sich die moderne Küche, in rosegebeiztem Holz an, die mit allen erdenklichen Hilfsmitteln ausgestattet war.
Überall, auf dem Boden, in der Schrankwand, hinter der Couch, auf dem breiten Fensterbrett und den locker stehenden Sideboards, standen saftig grüne Pflanzen in zartfarbenen Übertöpfen. Die große Schiebetüre der Terrasse, in der Mitte der Fensterfront, die sich von der Außenwand des Wohnzimmers, über die Wand des Esszimmers erstreckte, führte in den mit weißen Natursteinen angelegten Steingarten. Im Frühling würden hier Teppiche von leuchtend sonnengelben, zartvioletten, dunkellila, weißen und hellblauen Blüten zwischen den Felsen hervor wuchern, die die Terrasse umgaben. Dazwischen würden große Flecken von Veilchen sprießen, die sie selbst eingepflanzt hatte. Eine weiße Natursteintreppe führte auf die große Wiese, deren Erde mit Spezialgeräten aufgelockert und umgeschoren worden war. Dort, wo der Schuppen gestanden hatte, hatte Lena eine sechseckige Gartenlaube errichten lassen, die nach vier Seiten zu begehen war. Ein Dach aus wildem Efeu würde im Sommer Schatten spenden. Neben der Laube hatte sie eine Trauerweide und einen weißen Flieder eingraben lassen. Niedere Büsche, Hecken und Sträucher umrandeten den Garten. Zu dem Grundstück ihrer Eltern hin war der Zaun entfernt worden.
Mitten in der Wiese standen ein hohes Holzgerüst, an dem zwei Schaukeln eingehängt werden konnten, ein buntlackiertes Klettergerüst und ein quadratischer, in den Boden eingelassener, Sandkasten. Außerdem waren in einem kleinen Geräteschuppen alle Arten von Kinderfuhrwerken untergebracht. Es reichte von einem Fahrrad, über einen Roller, einem Dreirad bis zu einem Bobbycar. Stelzen, Bälle, Federballschläger, Puppenwägen, alles fand hier seinen Platz. Daneben war ein junger, mannshoher Apfelbaum gepflanzt. Der bereits wuchtige Stamm des dreijährigen Kirschbaumes, der im Frühjahr abertausend weiße Blüten tragen würden, war neben der Terrasse, zum Haus ihrer Eltern eingegraben. Den Charme eines alten, guterhaltenen Fachwerkhauses strahlte das Haus von außen aus. Wunderbar fügte es sich in das Bild der Landschaft ein.
„Mami, warum haben die Nele und ich keinen Papi? Alle Kinder im Kindergarten haben einen Papi!“ Fragend blickten Babs tiefblaue Augen ihre Mutter an, die weißen Tupfen der Iris glitzerten darin, wie geheimnisvolle Felsspalten.
„Ihr habt auch einen Papi! Nur ist er in Australien, weil er dort Segeljachten bauen muss, die in der ganzen Welt berühmt werden.“ Vor kurzem hatte Lena stolz einen winzigen Zeitungsartikel ausgeschnitten, in dem Nils erste Eigenkonstruktion als aufsehenerregende Neuheit in der Welt des Schiffbaus eingegangen war. Voll des Lobes waren die Kritiker über das
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