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Engel der Kindheit

Engel der Kindheit

Titel: Engel der Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skyla Hegelund
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in den am Abend bereitgestellten, gerichteten Seesack. Mit gesenktem Kopf nahm er die dunkelblaue Matrosenuniform, die er am Tag zuvor erhalten hatte von dem Schubkarren, der in einer Ecke des Schuppens stand. Rasch schlüpfte er in die weite Hose und das dunkelblaue Oberteil mit dem weißgestreiften, auf dem Rücken rechteckigen, großen Kragen, während Lena ihr langes Kleid anzog und sich von Nils den Reißverschluss verschließen ließ. Ihre Haare, deren einzelne Nadeln sich bei ihren leidenschaftlichen Umarmungen gelöst hatten, öffnete sie und schüttelte die wallende Mähne kopfüber aus.
    „Mein Engelchen, wie sehr ich dich liebe und all die Jahre geliebt habe!“ Traurig zog Nils sie in seine Arme, unfähig weitere liebende Worte zu sprechen, da es ihm die Kehle abschnürte.
    Aufschluchzend barg Lena ihren Kopf an seiner Schulter klammerte sich schutzsuchend an ihn, doch er musste sich beeilen, wenn er sein Schiff erreichen wollte. So schob er sie unter Aufbringung seiner Kräfte von sich, fasste nach ihrer Hand, warf sich den Seesack über die Schulter, ergriff sein altes Fahrrad und schwang sich auf den Sattel.
    Lena raffte ihr Kleid über die Schenkel, setze sich auf den Gepäckträger und umklammerte ihren Geliebten. Eilig fuhr Nils über die holpernde Wiese, auf den geteerten Weg, weg von dem Grundstück seiner Eltern, drehte sich kein einziges Mal mehr um, in ein neues aufregendes Leben.
    Schmerzlich brannte Lenas Herz in ihrem Inneren, verzweifelt hoffte sie, dass Nils sie zu sich holen würde, wie er es versprochen hatte.
    Feucht und klar bot sich ihnen der Morgen entgegen. Tautropfen funkelten auf den Blättern der Bäume, an denen sie vorüberfuhren. Frisch wehte der Wind von der Elbe her, den Geruch der großen weiten Welt darin, dessen Ruf Nils nun folgen würde.
    Um fünf Uhr dreißig kamen sie an der Kaimauer an, an der das majestätische Segelschiff vor Anker lag. Ein stolzer Fünfmaster wartete auf Nils, so wie er es sich immer erträumt hatte. Auf der Santa Barbara würde er über ein halbes Jahr über die Weltmeere segeln, bis sie Australien erreichen würden.
    Johlend schrien ihm die Matrosen in englischer Sprache erfreut zu, winkten ihn an Bord, riefen, er solle sich schnell von seinem Mädchen verabschieden, im nächsten Hafen würde die nächste Maid auf ihn warten.
    Bei diesen Worten zerriss es Lena das Herz.
    Zitternd schmiegte sie sich an Nils, unfähig ihre Tränen zurückzuhalten, die wie ein gebündelter Wasserstrahl über ihre Wangen schossen.
    „Nicht, Lena! Für mich gibt es mein Leben lang nur dich! Ich schwöre es dir! Ich hole dich zu mir!“ Ein letztes Mal zog er sie an sich und küsste sie leidenschaftlich, dann befreite er sich aus ihren Armen, warf den Seesack über die Reling und sprang leichtfüßig auf die Schiffsplanken an Bord. Mit den anderen Matrosen zusammen löste er die Taue, langsam setzte sich das mächtige Schiff in Bewegung.
    Ihre Blicke hielten sich gefangen, bis sie nur noch die schattenhaften Umrisse des Anderen erkennen konnten.
    Schluchzend stand Lena an dem verlassenen Kai, blickte dem Schiff nach, das über die ruhige Elbe in Richtung Nordsee fuhr.

5. Kapitel    
    Nach den ersten Seemeilen, bei denen sie von einem Lotsen durch die Engen der Elbe geführt wurden, wurde Nils von einem seiner Kameraden in seine schmale Kabine geführt, die er im nächsten halben Jahr mit fünf weiteren Matrosen teilen würde. Zwei Stockbetten, mit je drei Pritschen, standen in dem engen, dunklen Raum, durch den nur das wenige Licht hereinfiel, dass das matte, blinde Bullauge filterte. Die Luft im Inneren des Schiffes war stickig und abgestanden.
    Wieder an Deck erblickt er die letzte Einengung der Elbe. Hupend verabschiedete sich der Lotse, bevor das offene Meer, das im Moment noch mit dem Antrieb der lauten Motoren sich fortbewegende, stolze Schiff, in seiner leichten Strömung willkommen hieß.
    Regungslos stand Nils an der Reling und empfand zum ersten Mal in seinem Leben ein Gefühl der unendlichen Freiheit. Zwar war sein Herz schwer, weil er Lena nicht an seiner Seite wusste, aber er würde nie mehr im Leben den Schlägen seines Vaters ausgesetzt sein.
    Ruppig und laut hallten die Kommandos des Kapitäns über Bord. Vereint setzten sie die Segel in den auflebenden Wind. Schwer ächzten die Masten unter dem Gewicht der naturweißen Segel, in die der Wind blies und die Santa Barbara auf das offene Meer trug. Unter der australischen Flagge der Handelsmarine

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