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Engel der Kindheit

Engel der Kindheit

Titel: Engel der Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skyla Hegelund
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verankert.
    Nur selten kam Philipp zu Besuch, er studierte in Frankfurt, hatte dort eine feste Freundin gefunden und verbrachte mit ihr seine Freizeit.
    Maßlos hatte er sich darüber aufgeregt, dass seine kleine Schwester so dumm sein konnte und sich beim ersten Mal schwängern zu lassen, wie er es ausdrückte. Das könne nur ihr passieren, hatte er verächtlich gemeint.
    Auf dem Absatz hatte Lena sich umgedreht und ihn einfach stehen lassen. Nichts verband sie mehr mit ihrem selbstherrlichen Bruder.

9. Kapitel    
    Vollkommen am Ende seiner Kräfte war Nils. Bis zum Umfallen trieb Samuel Rodney ihn an. Ausnahmslos alle seine Arbeiter wünschten ihm den Tod. Früher, zur Zeit des Sklavenhandels, konnte es nicht schlimmer gewesen sein.
    Pünktlich erschien Nils morgens zu seinen Vorlesungen, musste sich bemühen, dass er nicht in den hintersten Reihen des Hörsaals einschlief.
    Mitten in Sydney studierte er an der Camperdown University , die im neugotischen Stil erbaut worden war und an die Universität in Oxford erinnerte. Das Hauptgebäude und der Turm, der als Wahrzeichen diente, bezauberten mit einem Baustil Ende des neunzehnten, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts.
    Mit der Monorail fuhr er nach den Vorlesungen bis nahe an das Strandhaus, tauschte seine Kleidung und fuhr mit dem Fahrrad zur Werft. In sechswöchigen Intervallen wechselte er von einer Abteilung zur Nächsten. Das bedeutete, dass er neben seinem Studium eine vollständige Ausbildung absolvierte. Mehr als acht Stunden verbrachte er bis zum Abend in der Werft. Meist fuhr er mit Sven, der über dreizehn Stunden täglich schuftete, zurück zu ihrem Strandhaus. Zu müde um sich etwas zu kochen, nahmen sie sich an den Imbissständen eine Kleinigkeit zum Essen mit. Abends saß Nils vor seinen Konstruktionen, die Linien verschwammen vor seinen Augen, die Hände, der Rücken, sein ganzer Körper schmerzte, verbissen versuchte er, sich darauf zu konzentrieren.
    Ausgelaugt blies er den Rauch seiner Zigarette aus, trank einen Schluck starken Kaffees und fuhr sich zum hundertsten Mal an diesem Abend über seine Augen.
    „Nils, das hat doch keinen Wert! Du machst dich fertig! Dein Körper hält das kein Jahr mehr durch!“ Wild mit den Armen fuchtelnd, um sich etwas klarere Sicht zu verschaffen, betrat Sven das verrauchte, bis in den letzten Winkel vernebelte, kleine Zimmer seines Freundes. Bevor Sven ihn sah, wusste er, wie Nils hier saß und gegen den Schlaf ankämpfte. Sogar an den Wochenenden gönnte Samuel Rodney ihnen keine Pause. Gnadenlos verlangte er den vollen Körpereinsatz von morgens bis abends, an jedem Tag der Woche.
    „Ich muss aber! Koste es, was es wolle! Ich muss morgen diese Arbeit abliefern, sonst werde ich nicht zur Klausur zugelassen!“ Todmüde senkte Nils den Blick, seine Augen sollten seinem Freund nicht verraten, wie zerstört er sich fühlte.
    Damals, an ihrem ersten Tag in Sydney, hatte er das Gefühl gehabt, einen Pakt mit dem Teufel abgeschlossen zu haben. Sein Gefühl hatte sich bewahrheitet.
    „Wenn ich mich nur konzentrieren könnte, aber ich weiß nicht einmal mehr, wie man einen rechten Winkel zeichnet, geschweige denn, die aufbauende Konstruktion eines Katamarans.“ Voller Wut warf Nils den Bleistift, sein Lineal und seinen Winkel durch das Zimmer. Verzweifelt fuhr er sich durch die kurzen, vollen Haare und zündete sich erneut eine Zigarette an. Den Stummel der alten hatte er soeben im Aschenbecher zerdrückt.
    „Komm wenigstens auf die Terrasse! Zumindest zehn Minuten!“ Kopfschüttelnd lief Sven in die Küche und brachte Nils ein Glas Wein. Dunkel schimmerte es in dem großen Kelch, der bis zur Hälfte gefüllt war.
    Gierig ergriff Nils das Glas und leerte es in einem Zug.
    Hart stellte er es auf seinen Schreibtisch, kraftlos erhob er sich, seine Schritte schleppten sich über den Boden. Auf der Terrasse atmete er die kühle Luft der Nacht ein. Beleuchtet lag der Hafen unter ihnen. Pickend trat der Ibis, der in der Nähe sein Versteck hatte, über die Steinplatten.
    „Verdammt schön hier, aber was bringt uns das, wenn wir nur schuften müssen?“ Frustriert setzte Nils sich auf die ausgebleichten Teakholzmöbel der Terrasse und streckte die langen Beine von sich. Stark inhalierte er den Rauch seiner Zigarette, deren Spitze hell erglühte.
    Seit einem halben Jahr waren sie hier in Sydney. Zwar sahen sie in ihrer Umgebung die exotischsten Lebewesen wie Pelikane, die im Hafen landeten und ihren Beutelschnabel tief

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