Engel der Kindheit
den Lauf der Zeit ausnützen, bis Lena vor ihm stand und ihn anflehen würde, sie zu trösten, wobei es nichts gab, was er lieber tun würde.
„Was aber nichts an meiner Liebe zu ihm ändern würde!“ Nur um seiner Euphorie vorzubeugen, die sie in seinen Augen las, fügte sie diesen Zusatz hinzu, der sehr ernst gemeint war.
„Kommst du zu mir, wenn er dich sitzen lässt?“ Zärtlich ergriff er ihre Hände, die verloren auf der rotbestickten Mitteldecke lagen. „Ich habe mich in dich verliebt, Lena! Ich würde gerne mit dir zusammen sein!“ Gefesselt sah er in ihre blauvioletten Augen, streichelte ihren Handrücken, ehe die Wirtfrau kam und ihre Bestellungen notieren wollte.
„Wir haben noch nicht gewählt! Lena, was möchtest du?“
Rasch blätterten sie die Speisekarte durch. Während Krischan sich für Flunder entschied, bestellte Lena Gemüselasagne, dazu bestellte Krischan einen trockenen Weißwein.
„Krischan, bitte, hast du die Blicke von Imke noch nicht bemerkt? Sie zerfließt förmlich, wenn sie dich anschaut! Warum versuchst du dein Glück nicht bei ihr?“ Grinsend sah sie ihn an, nachdem sich die Wirtfrau entfernt hatte.
„Weil ich seit letztem Jahr nur an dich denke! Mit deinem ganzen Wesen hast du mich verzaubert! Ich wünschte mir, ein kleiner Heuler zu sein, der auf deinem Schoß liegen darf und von deinen sanften Händen gestreichelt zu werden. Lena, noch nie zuvor habe ich eine Frau erlebt, die alles was sie tut mit einer solchen Liebe in jeder kleinsten Geste vollbringt.“ Die Tiefe seiner Gefühle spiegelte sich in seinen Augen.
„Ich bin doch nur, wie ich bin und schon immer war. Mein Bruder hat mich deswegen gehasst!“ Mit Mühe versuchte Lena ein wenig Humor in ihr Gespräch zu bringen, doch Krischan ging nicht darauf ein.
„Weil er kein Herz hat! Er hatte früher schon seinen Kopf bei allem, nur nicht hier auf Amrum! Um auf Amrum glücklich zu sein, musst du die Natur lieben, so wie du sie liebst!“ Stumm flehte sein Blick sie an, seine Gefühle zu erwidern.
Als die Wirtfrau mit der Weinkaraffe und den hohen Stielgläsern kam, löste Krischan seine Hände, die ihre festgehalten hatten, fuhr sich durch seine blonden, gezähmten Locken, verwuschelte sie dadurch, ergriff sein halbgefülltes Weinglas und prostete ihr zu. „Auf dich!“
Sanft lächelte Lena, sah in sein freundlich gerundetes Gesicht, nahm den dünnen Stiel in ihre Hand und stieß klirrend mit Krischans Glas an. „Auf dich und darauf, dass du die richtige Frau finden wirst!“
„Die habe ich bereits gefunden!“
Genüsslich tranken sie einen kleinen Schluck, der kalt durch ihre Kehlen rann. Es war ein herber, würziger Weißwein, der sein Bukett wunderbar in den Kelchen entfaltete.
„Wie viele Heuler habt ihr dieses Jahr in der Station?“
Da er sie nicht bedrängen wollte, ging Krischan auf den Themenwechsel ein. Geduldig würde er abwarten, ob es sich zu seinen Gunsten weiterentwickeln würde.
Auf dem Nachhauseweg legte Krischan wärmend den Arm um Lenas Schultern. „Es war ein wunderschöner Abend! Ich würde ihn gerne wiederholen, solange du auf der Insel bist!“ Wie sehr er Lenas Arm genoss, der sich locker um seine Hüften geschlungen hatte, konnte er nicht in Worte fassen. Fröstelnd kuschelte sie sich in seine Armbeuge.
Von Westen her hatte der Wind aufgefrischt, trotz ihrer weißen Strickjacke, die sie über ihr Kleid gezogen hatte, war ihr bitterkalt.
„Ich denke, wir sollten es bei meinen Besuchen auf der Station belassen! Ich möchte auf keinen Fall, dass du dir Hoffnungen machst... und ich möchte dir nicht wehtun! Du bist für mich ein wichtiger Freund, Krischan, aber mehr nicht!“
Über ihnen glitzerten und funkelten abertausend Sterne am Nachthimmel, der wie die weite Kuppel eines Zirkuszeltes über sie gespannt war. Schwach sah er ihre bittenden Augen.
„Deswegen können wir trotzdem noch einmal miteinander zum Essen gehen, findest du nicht?“
Kopfschüttelnd lächelte Lena über seine Hartnäckigkeit.
„Da du eh nicht aufgibst, vielleicht noch ein Mal!“ Bei ihren Worten erstrahlte sein Gesicht. Es war angenehm mit ihm zu plaudern, sie genoss seine Gesellschaft, deshalb hatte sie zugestimmt.
Vor der Haustüre des kleinen Reethauses hauchte er einen leichten Kuss auf ihre weichen Lippen und verabschiedete sich eilig von ihr, bevor er sie in seine Arme reißen würde.
Grübelnd sah Lena ihm hinterher, wie er sich mit weit ausholenden Schritten entfernte, dann schloss
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