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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sollte es?«,
stammelte sie und tat so, als höre sie den beiden Musikanten zu, die im gleichen
Moment zu spielen begannen. »Keine Ahnung, wie er zu Geld gekommen ist.«
    »Mit Verlaub – das kaufe ich Euch nicht ab.«
Die Hände auf dem Tresen, gab Berengar seine entspannte Haltung auf und suchte Hrosvits
Blick. »Wie kommt es, dass Tuchscherer das Geld mit vollen Händen ausgegeben hat?«,
hakte er nach, kaum imstande, seine Ungeduld zu zügeln. »Vor seiner Heirat, wohlgemerkt?«
    »Fragt ihn doch selbst!«, raunzte Hrosvit zurück,
während ihr Blick von den Musikanten zur Tür wanderte, an deren Balken ein allseits
bekannter Kunde lehnte und die Anwesenden mit betont lässiger Haltung taxierte.
»Eine Gelegenheit wie diese kommt so schnell nicht wieder.«

16
     
    Stadtgefängnis, dreieinviertel Stunden nach Sonnen­untergang │ [20.38 h]
     
    Nein, so eine Kreatur, so ein geschundenes, konfuses und hilfloses
Wrack von Frau hatte Bruder Hilpert sein Lebtag lang nicht zu Gesicht bekommen.
Seit er Kriminalfälle löste, war er mit jeder nur erdenklichen Form menschlicher
Niedertracht vertraut und sich bewusst geworden, wozu Menschen fähig waren. Und
natürlich wusste er auch, was es hieß, in einem Verlies zu schmachten, wobei er
sich nicht sicher war, ob eine Welt ohne Kerker dem irdischen Jammertal zum Vorteil
gereichen würde.
    Absolut sicher war er sich allerdings, dass
die Greisin, deren Zelle er vor Kurzem betreten hatte, niemandem etwas zuleide tun,
geschweige denn jemanden töten konnte. Dazu war Egberta Tuchscherers Amme nicht
fähig, mochten ihre Schwiegermutter und all jene, denen sie ihr Los zu verdanken
hatte, auch das Gegenteil behaupten. Dies hier war ein Geschöpf, das dem Tode näher
als dem Leben war, das in seiner eigenen Welt dahinvegetierte. Einer Welt, die mit
dem, was sich ringsum abspielte, nur noch durch einen hauchdünnen Faden verbunden
zu sein schien.
    »Tut mir den Gefallen und macht es kurz, Bruder.
Sonst ist mir der Stammplatz hier drunten sicher.« Der Kerkermeister, ein unrasierter
Miesepeter mittleren Alters, der eine Klappe über dem linken Auge trug, hantierte
an seinem Schlüsselbund herum und machte eine einladende Geste. »Hereinspaziert,
die blödsinnige alte Vettel beißt nicht.«
    Bruder Hilpert rang sich ein gekünsteltes Lächeln
ab. Wenn er vor etwas Angst hatte, dann davor, dass Bruder Albans Mummenschanz auffliegen
und er mitsamt dem Lektor vor das Tribunal des Stadtrichters zitiert werden würde.
Verdient gehabt hätte er dies allemal, warum, lag auf der Hand. Der Bibliothekarius
stöhnte leise auf, entsetzt über sich, seinen väterlichen Freund und die Art und
Weise, wie sie beide den Kerkermeister hinters Licht geführt hatten. Er, Hilpert,
im Gewand eines Minoritenbruders, und, schlimmer noch, unter falscher Identität.
Kaum zu glauben, aber wahr. Fast so unglaublich wie die Tatsache, dass Bruder Alban
den Wärtern eine beispiellose Lügengeschichte aufgetischt hatte.
    »Ich wusste gar nicht, dass sie einen Neffen
hat.« Bruder Hilpert horchte auf. Nicht auszuschließen, dass der Kerkermeister Verdacht
geschöpft hatte. Und ein Grund mehr, die Worte sorgfältig zu wählen. Der Ruf, den
Bruder Alban genoss, hatte offenbar nicht alle Zweifel beseitigen können, ebenso
wenig wie die 20 Schillinge, die er dem Schließer in die Hand gedrückt hatte. »Merkwürdig,
dass wir uns noch nicht über den Weg gelaufen sind.«
    »Wie auch. Ich bin ja erst ein paar Tage hier.«
    »Ach so. Das ist natürlich was anderes.« Der
Kerkermeister ging einen Augenblick in sich, gab sich dann aber doch mit der Antwort
zufrieden. »Na dann mal viel Glück, Bruder …«
    »Franziskus.«
    »Aber doch nicht der Franziskus, oder?«
    »Nein. Wie Ihr seht, fehlt mir der Heiligenschein.«
Um seinem Gegenüber nicht die Freude zu verderben, ging Bruder Hilpert bereitwillig
auf seinen Schabernack ein. Späße dieser Art waren ihm zwar fremd und grenzten seiner
Meinung nach ans Frivole, aber da er sein Vorhaben nicht aufs Spiel setzen wollte,
gab er sich betont locker und entspannt. Bisweilen musste man über den eigenen Schatten
springen, wenngleich ihm dies im vorliegenden Fall nicht leichtgefallen war.
    »Denkt dran, Bruder. Eine Viertelstunde, nicht
mehr.«
    »Keine Sorge, Kerkermeister – ich werde mich
daran halten.«
    Erleichtert, den naseweisen Griesgram los zu
sein, der mit schleppendem Schritt von dannen schlurfte, wandte sich Bruder Hilpert
der alten Irmtrud zu. Ob und wie viel sie

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