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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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derartige Wendung des Gesprächs hatte er nicht erwartet, schon gar nicht diesen
Ton. »Vollkommen!«, gab er unumwunden zu und hatte Mühe, seine Verlegenheit zu überspielen.
»Kann es sein, dass Ihr mir die ganze Zeit etwas vorgespielt habt?«
    »Nicht nur Euch, Bruder, sondern auch dem Gesindel
droben in der Wachstube.«
    »Verstehe.«
    »Das bezweifle ich«, hielt die Alte dagegen,
richtete sich auf und begann, die schmerzenden Gelenke zu massieren. »Wisst Ihr
eigentlich, was es heißt, hier drunten Euer Dasein zu fristen? Tag und Nacht malträtiert,
gequält, gedemütigt zu werden?« Irmtrud Fuchslechner stieß ein verächtliches Grunzen
aus. »Dann noch lieber verrückt spielen, findet Ihr nicht? Wenigstens hab ich jetzt
meine Ruhe. Hier raus komme ich ohnehin nicht mehr. Es sei denn, sie karren mich
zum Schafott.«
    »Nur Mut, meine Tochter. Noch ist nicht aller
Tage Abend.«
    »Machen wir uns nichts vor, Bruder: Über mich
ist das Urteil längst gesprochen. Das wisst Ihr ebenso gut wie ich.«
    Bruder Hilpert schüttelte entschieden den Kopf.
»Genau das weiß ich eben nicht!«, beharrte er und tätschelte Irmtruds Hand, eine
Geste, über die er genauso überrascht war wie die Heilerin. »Wenn jemand weiß, wer
den Tod Egbertas zu verantworten hat, dann du.«
    »Mag sein, aber wen interessiert das überhaupt?«
    »Mich.«
    »Ihr seid gar kein Franziskaner, stimmt’s?«
    »Nein. Zisterzienser, aus Maulbronn.«
    »So, so. Und warum kümmert Ihr Euch dann um
mich? Gibt es in Eurem Kloster nicht genug zu tun?«
    »Das schon.« Bruder Hilpert errötete. Wenn es
etwas gab, worüber er nicht sprechen wollte, dann über die Zweifel, welche er in
seinem Inneren hegte. »Zunächst aber würde ich gern erfahren, wie du in diese Lage
gekommen bist.«
    »Man hat mir eine Falle gestellt. Und ich blöde
Gans bin hineingetappt.«
    »Höchste Zeit, darüber zu berichten, findest
du nicht auch?«
    Irmtrud Fuchslechner nickte. »Mir scheint, Ihr
habt Recht, Bruder!«, entgegnete sie, sprühend vor neu erwachter Energie.
    Und begann zu erzählen.
     
    *
     
    »Na, Bruder – was hat die verlauste alte Vettel gesagt?«
    »Was Delinquenten in ihrer Lage eben sagen«,
wiegelte Bruder Hilpert ab, während er die Holzstiege erklomm, die hinauf in die
Wachstube führte. Wie überall roch es auch dort nach Schweiß, faulem Stroh und Exkrementen,
und er fragte sich, wie der Kerkermeister das aushalten konnte.
    Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
Kaum befand er sich in seinem Domizil, an dessen Wänden Piken, Hellebarden, Spieße
und Waffen in jeder nur erdenklichen Art und Größe aufgereiht waren, genehmigte
sich dieser einen Becher Wein und fand nichts dabei, umgehend nachzuschenken. »Auch
einen Schluck?«
    Bruder Hilpert wehrte dankend ab. »Armer Teufel«,
murmelte er, in Gedanken bei der alten Irmtrud, deren Schilderungen nicht dazu geeignet
waren, den Glauben an das Gute im Menschen zu bestärken. »Wenn ich ehrlich bin,
möchte ich nicht in ihrer Haut stecken.«
    »Was heißt hier ›armer
Teufel‹!«, ereiferte sich der Kerkermeister und rülpste so laut, dass sich Bruder
Hilpert eine launige Bemerkung gerade noch verkneifen konnte und so rasch wie möglich
dem Ausgang zustrebte. »Die Giftmischerin hat ja wohl nichts Besseres verdient.«
    Um einiges klüger, auch
wenn ihm einstweilen die Beweise fehlten, tat Bruder Hilpert so, als habe er die
Äußerung nicht gehört, griff nach der Klinke und öffnete die Tür. Das Bedürfnis,
diesem Ort zu entfliehen, drohte übermächtig zu werden, von dem nach frischer Luft
nicht zu reden. »Was immer sie verbrochen haben mag – seid bedankt, Kerkermeister,
dass Ihr mir weitergeholfen habt.«
    »Merkwürdig – aber vor
nicht allzu langer Zeit hab ich das Gleiche schon mal gehört.«
    Die Hand auf der Klinke, wirbelte Bruder Hilpert
herum. »Was sagt Ihr da?«, entfuhr es ihm, kaum imstande, seine Verblüffung zu verbergen.
»Warum habt Ihr mir das nicht früher …«
    »Warum sollte ich?«, fuhr der Kerkermeister
dazwischen, ein Lächeln auf den Lippen, das Hilperts Antipathie neue Nahrung gab.
»Bei dem Schweigegeld.«
    Der Bibliothekarius ließ sich nicht lange bitten,
kramte einen rheinischen Gulden hervor und drückte ihn dem Kerkermeister in die
Hand. »Zufrieden?«, flüsterte er und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
»Wer weiß, vielleicht kommt noch etwas dazu!«

17
     
    Heilig-Geist-Spital , dreieinhalb Stunden nach Sonnenuntergang │ [20.53

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