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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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war er
einmal mehr von ihrer Unschuld überzeugt.
    Mit Hypothesen allein, so naheliegend diese
auch sein mochten, würde sein Unterfangen jedoch zum Scheitern verurteilt sein.
Dessen war sich Bruder Hilpert mehr denn je bewusst. »Ruhig Blut, vor mir braucht
Ihr keine Angst zu haben.«
    »Warum sollte ich?«, trotzte die Alte, umschlang
ihre Beine und sah Bruder Hilpert mit einer Mischung aus Erleichterung und banger
Erwartung an. »Hab Euch ja schließlich nichts getan, Gevatter.«
    »Mir nicht, aber Egberta. Sagt man.«
    »Egberta – nie gehört.« Die Alte besann sich,
das Kinn auf die knochigen Knie gestützt. »Hab in meinem Leben so viele Kinder gesäugt,
dass ich mich kaum entsinnen kann, wie sie … Egberta … hm … hab ihnen Kosenamen
gegeben, müsst Ihr wissen. Eine Egberta war aber nicht darunter – ich schwör’s!«
    Bruder Hilpert stöhnte leise auf. Genau das
hatte er befürchtet, weshalb ihm nichts anderes übrig blieb, als auf seine Intuition
zu vertrauen. »Aber eine Adelheid, oder nicht?«, fragte er deshalb aufs Geratewohl,
und sei es nur, um den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. »Und eine Hildegard.«
    Das Antlitz der Alten, ein Sammelsurium von
Runzeln, schlaff herabhängenden Wangen und vereinzelten weißen Härchen, die ihrem
verwitterten Kinn entsprossen, begann sich zu verklären, und ihre Augen leuchteten
vor Entzücken auf. »Gewiss doch!«, pflichtete sie Bruder Hilpert bei. »An die kann
ich mich erinnern. Genauso wie an die kleine Adelheid. Tochter vom alten Haberschlachter.«
    »Und an wen noch?«
    »Na, an alle!«, trumpfte die Alte auf, gegenüber
vorher kaum wiederzuerkennen. »Was habt Ihr denn gedacht?«
    »Gar nichts!«, beteuerte Bruder Hilpert, schob
die Lampe beiseite und sah ihr tief in die Augen. »Außer vielleicht, dass Ihr mir
den Gefallen tun könntet, Namen zu nennen.«
    »Aber nur die Kosenamen.«
    »Einverstanden.«
    »Lasst mich nachdenken«, begann die Alte, während
sich ihr Körper zusehends zu entkrampfen begann. »Da war zunächst mal Bärchen, der
Sohn vom jungen Wagner. Allerliebst, kann ich Euch sagen. Und natürlich meine kleine
Zauberfee, das vierte Kind von Samuel Levinsohn. Hat ihm leider kein Glück gebracht,
die Kleine.«
    »Weshalb?«
    »Weil er anno 93 totgeschlagen wurde, darum.
Hie Jud, hie Christenmensch, wenn Ihr versteht, was ich damit sagen will.« Der Blick
der alten Irmtrud trübte sich. »Hab nie wieder von ihm gehört.«
    »Und die andern?«
    »Die Christenmenschen,
meint Ihr? Denen habe ich natürlich auch Kosenamen gegeben, einer hübscher als der
andere. Also, da waren zum Beispiel Lieschen, Maiglöckchen, Engelchen, Gänseblümchen,
Lindwürmchen und natürlich Peterle, mein Federgewicht. Mein Gott, wie lange ist
das doch her. Einerlei – kann mich trotzdem an ihn erinnern. Und wie. Damals, 77,
hat nämlich der Reichstag hier getagt. Eine ganze Woche lang. Gütiger Himmel, da
war vielleicht was los! Die Stadt ist beinahe aus den Nähten geplatzt. Leute aus
nah und fern, Fürsten, Grafen und edle Herren hoch zu Roß, prächtig herausgeputzte
Damen, Gaukler, fliegende Händler und Spielleute im Überfluss. Jeder wollte König
Wenzel sehen. Und mein Federgewicht hat mich beinahe leergesoffen. Heilige Muttergottes,
hat der Kleine vielleicht einen Durst ge…«
    »Und Pummelchen?« Es war nicht seine Art, ins
Blaue hineinzuspekulieren, aber da ihm kaum noch Zeit blieb, setzte Bruder Hilpert
alles auf eine Karte.
    Und hatte Glück.
    »Egberta, die Tochter vom alten Wernitzer? Moment
mal … ja, genau! Die ist auf die Welt gekommen, als sie drunten an der Tauber das
Topplerschlösschen gebaut haben. Anno 88, soweit ich mich entsinnen kann. Ja, und
dann war da noch die kleine Melusine, Tochter vom alten Aschenbrenner, das letzte
Kind, dem ich die Brust …«
    »Erzählt mir von ihr.«
    »Von der kleinen Melusine?«
    »Nein, von Egberta.«
    »Ach, Gevatter – das ist doch alles schon so
lange her!«, wehrte die Alte ab und brütete vor sich hin. »So lange, dass ich schon
nicht mehr weiß, an welchem Tag sie auf die Welt gekommen ist.«
    Bruder Hilpert schluckte, und das Klopfen seines
Herzens verriet, wie angespannt er war. »Was mich betrifft«, tastete er sich behutsam
voran, voll und ganz auf die Mimik der Amme konzentriert, »bin ich weniger an ihrer
Geburt, sondern viel eher an den Umständen …«
    »… ihres Todes interessiert. Sehe ich das richtig,
Bruder?«
    Der Bibliothekarius prallte überrascht zurück.
Eine

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