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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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    »Euch schickt der Himmel, Jungfer. Des Herrgotts Segen auf all Euren
Wegen.«
    »Gottes Segen für dich, Jobst – nicht für mich!«,
widersprach Melusine in sanftem Ton, setzte ihrem Patienten einen Trinkbecher an
die Lippen und nickte dem Armenpfründner [66] , der fast nur noch aus Haut und Knochen bestand, mit
aufmunterndem Lächeln zu. »Hier, trink noch einen Schluck!«
    Der Tuchwalker, nach dem der Tod bereits seine
Klauen ausstreckte, schloss die Augen und fügte sich. Nur noch wenige Stunden, und
die Qualen, welche er durchlitt, würden für immer beendet sein. Es war ein Kampf,
bei dem der Sieger von vornherein festgestanden hatte. Ein Ringen, bei dem er auf
verlorenem Posten stand. Der Armenpfründner sandte ein Stoßgebet aus und ließ sich
wieder auf seine Bettstatt sinken. Begonnen hatte es ein paar Monate zuvor, mit
Kopfschmerz, Würgereiz und Erbrechen. Bald darauf hatte sich ein unerträglicher
Juckreiz hinzugesellt, und es dauerte nicht lange, bis seine schlimmsten Befürchtungen
wahr geworden waren. Ein Körperteil nach dem anderen war brandig geworden, Arme,
Beine, einfach alles. Dann war ihm die linke Hand abgefault, wenig später die rechte,
ein paar Tage später der ganze Arm. Kein Stückchen Haut, das verschont, keine Stelle,
die nicht mit Blasen, Eiterbeulen und Pusteln übersät worden war. Und kein Tag,
an dem er sein Dasein nicht lauthals verflucht hätte. Doch so sehr er den Tod herbeisehnte,
desto mehr ließ sich dieser Zeit. Am schlimmsten war jedoch die Angst, welche ihn
peinigte, schlimmer noch als der Durst, der ihm das Leben zur Hölle gemacht hatte.
    »Habt Dank, Jungfer, für
alle Wohltaten, die Ihr mir erwiesen habt.« Wäre diese Lichtgestalt nicht gewesen,
die versuchte, sein Martyrium zu lindern, hätte er vermutlich den Verstand verloren.
So aber durchflutete ihn dieses Wohlgefühl, das ihm der Trank verschaffte. Die Gewissheit,
alle Pein werde demnächst ein Ende haben und er, Jobst der Tuchwalker, dem irdischen
Jammertal für immer entflohen sein. »Möge der Herrgott mit Euch sein.«
    »Und mit dir, Jobst!«, flüsterte Melusine dem
Todgeweihten zu, strich ihm über die Wange und kämpfte gegen die Tränen an, welche
ihr in die Augen stiegen. »Auf dass deine Qual ein Ende haben möge.«
     
    *
     
    »Was meint Ihr – wann wird es mit ihm zu Ende gehen?«, wollte der Spitalmeister
wissen, nachdem Melusine den Vorhang zugezogen hatte, hinter dem sich der Schlafplatz
des Tuchwalkers befand. Außer ihm befand sich noch mehr als ein Dutzend Patienten
im Raum, denen man den Anblick des Todkranken nach Möglichkeit ersparen wollte.
Was Letzteren betraf, hoffte Melusine, dass ihm ihre Arznei ein wenig Linderung
verschaffen würde, wenngleich der Krankheit, unter der er litt, nicht beizukommen
war.
    »Jeden Moment«, erwiderte
die Baderstochter brüsk und tauchte ihre Hände in die Schüssel, welche auf einem
grob gezimmerten Beistelltisch in unmittelbarer Nähe des Eingangs stand. Danach
nahm sie ein leinenes Tuch zur Hand und rieb sie trocken. »Ihr tut gut daran, nach
dem Kaplan schicken zu lassen.« Ihre Gereiztheit kam nicht von ungefähr, nicht zuletzt,
weil sie die Bemerkung als pietätlos empfand. Davon abgesehen gab es eine Menge
zu tun, wobei ihr der Ratsherr, dem die Oberaufsicht über das Spital oblag, nur
im Wege war. Da er jedoch das Sagen hatte, blieb ihr nichts anderes übrig, als gute
Miene zu bösem Spiel zu machen. Das war sie den Kranken, die sich unter ihrer Obhut
befanden, einfach schuldig. »Falls es das ist, worauf Ihr anspielt, Meister Creglinger.«
    Der Wollhändler, dessen Aufstieg mit einem Sitz
im Inneren Rat belohnt worden war, rümpfte verstimmt die Nase. Nebst seinem Barett,
in dem die Feder eines Auerhahns steckte, war sein Riechorgan in der Tat nicht zu
übersehen, ebensowenig wie der Schmerbauch unter dem golddurchwirkten Wams. Hinzu
kam ein Gebaren, das selbst wohlmeinende Beobachter als borniert und hochnäsig bezeichnet
hätten, was Melusine bewog, auf Distanz zu dem frisch gebackenen Spitalmeister zu
gehen.
    Ohne Erfolg. »Warum habt Ihr ihm den Arm eigentlich
nicht amputiert?«, wollte der Wollhändler wissen, durch die Tatsache, dass ihn die
Baderstochter einfach stehen ließ, einigermaßen irritiert. »Anstatt ihn buchstäblich
verfaulen zu lassen, meine ich.«
    Im Begriff, an die Bettstatt des gichtkranken
Müllers zu treten, der sie offenbar sehnsüchtig erwartete, fuhr Melusine herum und
trat bis auf Armlänge an den

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