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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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ich darum, jegliche Kommentare hinfort für Euch zu behalten.
Um des Friedens willen, wie ich wohl nicht extra betonen muss.«
    »Und das von meiner Schwester Kind!«, entrüstete
sich die Priorin, weder fähig noch willens, mit ihrer Empörung hinterm Berg zu halten.
Duldsamkeit war nicht gerade ihre Stärke und die Rötung, welche die erschlafften
Wangen überkam, verhieß nichts Gutes. Zur Erleichterung von Irmingardis tauchte
genau im richtigen Moment der Mesner auf, entbot der Priorin einen devoten Willkommensgruß
und ergriff die Gelegenheit beim Schopf, um sie mit dem neuesten Klatsch zu versorgen.
    Irmingardis war es recht so, lag ihr doch nichts
ferner, als mit ihrer Tante in Streit zu geraten. Drei Tage war es her, dass sie,
Berengar und Bruder Hilpert in Rothenburg angekommen waren, und noch immer hatte
sie sich von den Strapazen der Reise nicht erholt. Sie fühlte sich matt, ausgelaugt
und fror so erbärmlich, dass sie den Mantel aus Kaninchenfell, in den sie sich gehüllt
hatte, am liebsten gar nicht mehr ausgezogen und die Wärmestube des Klosters zu
ihrem Domizil erkoren hätte.
    Im Vergleich zu den Sorgen, die sie derzeit
plagten, war dies jedoch nichts. Irmingardis machte ein betrübtes Gesicht, wandte
sich ab und betrachtete ihren Verlobungsring. Es war an der Zeit, Berengar reinen
Wein einzuschenken, und sie machte sich Vorwürfe, weshalb sie ihn nicht schon früher
ins Vertrauen gezogen hatte. Heimlichtuerei hatte ohnehin keinen Zweck, und sei
es nur, weil es bald nichts mehr zu verheimlichen geben würde.
    »Wo waren wir gerade stehen
… genau, beim Kleinod unserer Stadt, Sankt Jakobus!«, nahm die Priorin nach dem
Verschwinden des Mesners den Gesprächsfaden wieder auf, gebot Irmingardis, ihr zu
folgen, und steuerte auf die drei monumentalen Spitzbogenfenster zu, welche den
Chor nach Osten hin begrenzten. Ihre Nichte folgte ihr auf dem Fuß, trotz Müdigkeit
voller Bewunderung für die in sämtlichen Farben schimmernden Fenster, jedes von
ihnen ein veritables Meisterwerk und ihrer Schätzung zufolge knapp 30 Ellen [25] hoch. So etwas bekam man nicht häufig zu Gesicht,
weshalb sie den Schwindel, der sie bei der Betrachtung der Chorfenster befiel, nach
Kräften ignorierte.
    »Ich sehe, du bist beeindruckt!«, stellte die
mit ihrer Nichte wieder versöhnte Priorin fest, konnte jedoch nicht aus ihrer Haut
und ergänzte: »Wie du siehst, sind die Glasgemälde jüngeren Datums, meines Wissens
knapp 20 Jahre alt. Dediziert sind sie, wie du linker Hand erkennen kannst, dem
Leben der Heiligen Jungfrau und – rechter Hand – dem Erlösungswerk Jesu Christi,
unseres Herrn, dessen Leben und Leiden auf dem mittleren der drei Fenster dargestellt
ist.«
    »Und das Gebilde da drüben ist …«
    »Die Sakramentnische, richtig erkannt!«, schwadronierte
die Priorin, sichtlich in ihrem Element. »Samt dazugehörigem Schrein.« Und geriet
jetzt erst richtig in Fahrt: »Gottvater, Jesus, sein eingeborener Sohn, unser Herr,
Johannes der Täufer und der Evangelist gleichen Namens sowie die heilige Gottesmutter
natürlich nicht zu …«
    Der Rest ihrer Worte, mit denen Jutta von Nordenberg
nicht zu geizen pflegte, blieb ihr buchstäblich im Halse stecken. Zu groß war ihre
Bestürzung, zu stark der Schock, der sie beim Anblick ihrer plötzlich in sich zusammengesunkenen
Nichte befiel, als dass ihr auch nur ein Laut von den Lippen gekommen wäre.
     
    *
     
    Die Raben waren einfach überall. Auf dem Gerüst, hinter dem das Kirchenschiff
hervorragte, auf dem Giebel der Bauhütte, unter deren Vordach mehrere Taurollen,
Zugsägen, Bohrwinden und ein Senkblei hingen, ja sogar auf den Kalkfässern, Wasserbottichen
und Dachziegeln, die fein säuberlich neben dem Gerüst aufeinandergestapelt waren.
Sie hockten auf den bereitliegenden Quadern und natürlich auch auf den Abfallhaufen,
welche über die gesamte Baustelle verteilt waren, ein untrügliches Zeichen, dass
bis zur Vollendung von Sankt Jakob noch viel Zeit ins Land gehen würde. Die Raben
waren allgegenwärtig, so zahlreich, dass Berengar, Vogt des Grafen von Wertheim,
das Gefühl nicht loswurde, hier gehe es nicht mit rechten Dingen zu.
    Anzeichen dafür gab es freilich keine, wenngleich
sich dem Betrachter der Eindruck aufdrängte, es tue not, hier öfter nach dem Rechten
zu sehen. Im Hinblick auf die bereits über 100 Jahre währende Bauzeit und die immensen
Kosten, welche Sankt Jakobus verschlungen hatte, wäre dies bestimmt nicht von Nachteil
gewesen.

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