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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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kaum. Hatte die geheimnisumwitterte Venus, die ihm mehrere Rätsel gleichzeitig
aufgab, doch offenbar nichts Besseres zu tun, als den Saum ihres Gewandes zu inspizieren,
ihr Gegenüber kokett anzulächeln und anschließend mit wiegendem Schritt davonzuspazieren.
An die Gestalt, welche ihr nach dem Leben getrachtet hatte, verschwendete sie keinen
Blick, anders als der Vogt, dessen Bemühungen, sie ausfindig zu machen, jedoch kein
Erfolg beschieden war.
    Doch Berengar wäre nicht Berengar gewesen, hätte
er den Vorfall, mit dem er konfrontiert worden war, ad acta gelegt. So einfach,
wie es sich die verführerische Unbekannte machte, war der Kasus nämlich nicht, zumal
man die Annahme, all das sei nur Zufall gewesen, zur Gänze ausschließen konnte.
    Dies hatte zur Folge, dass
in Berengar der Gesetzeshüter erwachte, und das, obwohl er diesbezüglich keinerlei
Befugnisse hatte. Wenn überhaupt, war es Sache der Stadtknechte, sich mit derlei
Kalamitäten herumzuschlagen, nicht die Seine. Aber da weit und breit kein Mensch,
geschweige denn ein Hüter der öffentlichen Ordnung zu sehen war, wischte der Vogt
sämtliche Bedenken beiseite und heftete sich an die Fersen der unbekannten Frau.
    Als er auf gleicher Höhe
mit ihr war, hatte diese die Baustelle bereits hinter sich gelassen und stand im
Begriff, in die Kirchgasse einzubiegen. Sie tat dies ohne Anzeichen von Hast und,
wie Berengar mit wachsendem Unmut registrierte, ohne auch nur einen einzigen Blick
über die Schulter zu werfen. Es war dieses Verhalten, dieses bewusste Ignorieren
seiner Person, das ihn, den verhinderten Gesetzeshüter, erst richtig in Harnisch
brachte. An sich war Berengar von Gamburg ein friedfertiger Mensch, zumindest was
sein Verhalten gegenüber dem weiblichen Geschlecht betraf. Kam er sich jedoch veralbert
vor, entfaltete sich sein hitziges Temperament, mit dem Ergebnis, dass es kein Halten
mehr für ihn gab. »Darf man fragen, warum Ihr es so eilig habt?«, blaffte Berengar,
wohl wissend, wie ungehobelt sein Betragen und wie absurd die Frage, die er an die
Fremde gerichtet hatte, im Grunde war. »Mich dünkt, wir haben einiges zu bereden.«
    »Tatsächlich?«, entgegnete die Frau, verhielt
ihren Schritt und drehte sich ohne erkennbare Anzeichen von Eile oder Verwunderung
um. »Und was, wenn die Frage gestattet ist? Was mich betrifft, wüsste ich nicht,
worüber wir beide uns unterhalten sollten.«
    »Bei allem Respekt, findet Ihr nicht auch, dass
… dass …«, begann Berengar, geriet jedoch derart aus dem Konzept, dass seine Erwiderung
in zusammenhangloses Gestammel ausartete. »Dass Ihr …«
    »Dass ich was?«, versetzte die Unbekannte, deren
Lippen sorgsam geschminkt waren, mit unverhohlener Ironie und sah sich rasch nach
allen Seiten um. »Meint Ihr, ich sei nicht imstande, auf mich aufzupassen?«
    »Das wollte ich damit nicht sagen.«
    »Sondern?«
    »Dass Ihr, gelinde gesagt, auf Euch achtgeben
müsst.«
    »Müssen wir das nicht alle?«
    »Mit Verlaub – mir scheint, man trachtet Euch
nach dem Leben.«
    »Angenommen, Ihr habt Recht – darf man fragen,
was Euch das angeht, edler Herr?«
    Teils wütend, zum Teil aber auch ehrlich verblüfft,
zügelte Berengar sein Naturell und runzelte die Stirn. »Nichts«, räumte er unumwunden
ein, »Hauptsache, wir beide sind nicht zu Schaden gekommen.«
    »Eben.« Nicht mehr so spröde wie zuvor, hielt
die junge Frau Berengars Blick ohne mit der Wimper zu zucken stand. Sie wirkte in
der Tat äußerst anziehend, wenn nicht gar eitel, hatte schneeweiße Haut, einen Schmollmund
und karmesinrot geschminkte Wangen. Je länger er sie betrachtete, desto stärker
keimte ein ganz bestimmter Verdacht in Berengar empor. Eine Mutmaßung, welche durch
das herzförmige Medaillon, welches an einem Goldkettchen hing und die Stirn der
Fremden zierte, scheinbar bestätigt wurde. Hinzu kam der Duft, den sie verströmte,
eine Mixtur aus Lavendel, Oleander und Rosmarin, dezent zwar, aber dennoch so stark,
dass Berengar unwillkürlich zurückzuweichen begann.
    Die junge Frau quittierte es mit einem Lächeln,
warf einen Blick in die Runde und fragte: »Was ist, habt Ihr etwa Angst vor mir?«
    »Warum sollte ich. Und Ihr?«
    »Findet Ihr, das geht Euch etwas an?«
    »Gegenfrage: Haltet Ihr es nicht für besser,
wenn wir uns einander vorstellen?« Nicht im Mindesten gekränkt, deutete Berengar
eine Verbeugung an und sagte: »Erlaubt, dass ich den Anfang mache. Mein Name ist
Berengar. Und wie lautet der Eure?«
    Die

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