Engel der Schuld Roman
murmelte Karen und hob den Kopf ein winziges Stück. Ihr Blick blieb an der Lampe auf dem Nachttisch hängen. »Er hat eine so nette Familie«, sagte sie traurig.
»Ja, Josh hatte eine sehr nette Familie, und er fehlt ihnen sehr. Sie müssen ihnen helfen, wenn Sie können, Karen. Bitte.«
Ellen hielt den Atem an und beobachtete das Spiel der Emotionen in Karen Wrights Augen. Verwirrung, Schmerz, Angst. Hatte sie Angst vor ihrem Mann? Hatte er eine Gehirnwäsche mit ihr gemacht? Er war Psychologieprofessor, er mußte wissen, wie man Gehirne manipuliert. »Er kann Ihnen nicht weh tun. Es wird allen eine Hilfe sein, wenn Sie uns sagen, was sie wissen.«
Karen entzog ihren Arm Ellens Griff und schälte sich aus dem Chintzstuhl. Sie schlang die Arme um sich und wanderte durchs Zimmer, blieb vor einem antiken Toilettentisch aus Eschenholz stehen und starrte sich in dem ovalen Spiegel darüber an. Dann nahm sie eine Bürste und begann, ihr Haar mit sanften Strichen zu bürsten.
»Ein schrecklicher Irrtum«, flüsterte sie. »Garrett würde nie . . . Er würde mir das nicht antun.«
Ellen stand auf und ging zur Tür.
»Ich lasse Ihnen meine Karte hier, Karen«, sagte sie und legte sie im Vorbeigehen auf den Toilettentisch. »Sie können mich jederzeit anrufen, Tag oder Nacht. Jederzeit, wenn Ihnen etwas einfällt, das uns helfen könnte, oder wenn Sie einfach nur reden wollen.«
»Nein. Es ist nur ein Irrtum«, murmelte Karen vor sich hin und strich die Bürste durch ihr Haar.
Er beobachtete, wie Ellen North das Fontaine-Hotel verließ, und fragte sich, was sie erfahren hatte. Karen war dort, von hundert Augen beobachtet. Er wollte zu ihr gehen, mit ihr reden, aber das war nicht möglich. Sie würde ihn nie verraten. Er tröstete sich mit diesem Gedanken, obwohl die Angst in ihm hochbrandete wie eine Flut von Säure.
Das Leben hatte ihn wieder und immer wieder betrogen, ihm vorgegaukelt, daß er eine Sache wollte, wenn er eigentlich etwas anderes brauchte. Der Job, das Haus, der Wagen, die Frau. Der Hunger war nicht zu stillen, er wechselte einfach seine Erscheinungsform.
Er hätte gern jemandem die Schuld dafür gegeben, aber er fand einfach nicht heraus, wo die Schuld liegen sollte. Als er noch jünger war, hatte er seinen Eltern die Schuld gegeben. Sein Vater, ein Mann, der sich mit weniger zufriedengab, als seine Familie verdient hatte, und seine Mutter, eine Frau, die im Schatten ihres Mannes stand. In letzter Zeit hatte er die Schuld Hannah in die Schuhe geschoben. Sie war nie im Schatten eines Mannes gewesen. Ihr Schatten fiel über ihn. Und dafür haßte er sie.
Ironischerweise gab kein anderer Hannah die Schuld an irgend etwas. Während seines ganzes Martyriums hatte man sie als Opfer hingestellt, als ein tapferes Geschöpf, das sich abmühte, mit allem fertig zu werden. Arme Hannah, die Frau, deren Kind man entführt hatte. Arme Hannah, sie half so vielen Menschen, sie hatte soviel Schmerz nicht verdient.
Arme Hannah, die ihren Sohn an der Eisbahn hatte stehenlassen, während sie sich um die Bedürfnisse eines anderen Menschen im Krankenhaus kümmerte. Arme Hannah, die zu Hause saß und darauf wartete, daß das Telefon klingelte, während er losgegangen war, mit dem Suchteam die Büsche durchkämmt und im Fernsehen gebettelt hatte.
Keiner sagte je: »Armer Paul.« Dank dieses Luders vom BCA, O'Malley, hatten sie mißtrauische Blicke auf ihn gerichtet, wegen dieses verdammten Lieferwagens. Sie wollten ihn mit Olie Swain in Verbindung bringen, der versucht hatte, ihm die Schuld für alles aufzuhalsen, obwohl er alles getan hatte, um den Helden zu spielen.
Ein Opfer, das war er eigentlich. Ein Opfer der Umstände. Ein Opfer des Schicksals. Er hatte nicht einmal ein Zuhause, wo er heute abend hingehen konnte.
» . . . Ich wei ß nicht mehr, wer du bist, aber ich wei ß , da ß ich die Nase voll habe von deinen L ü gen und deinen Vorw ü rfen. Ich habe die Nase voll davon, da ß du mir die Schuld am Verlust Joshs gibst, da ß du ihn anscheinend nur begraben willst und dabei hoffst, da ß die Kameras bei der Beerdigung deine Schokoladenseite aufnehmen! «
» Ich mu ß mir das nicht anh ö ren. « Er wandte sich von ihr ab, von der Verachtung in ihren Augen.
» Nein « , sagte Hannah und hob seine Jacke vom Sofa auf. Sie schleuderte sie ihm an den Kopf, ihr Mund zitterte vor Wut und vor Anstrengung die Tr ä nen zur ü ckzuhalten. » Du mu ß t mir nicht mehr zuh ö ren. Und ich mu ß mir deine Launen
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