Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Engel der Schuld Roman

Titel: Engel der Schuld Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
Vom Netzwerk:
kunstvolle Aufnahme mit vielen Schatten. Er sah direkt in die Kamera, ganz der harte Typ, die Hände umklammerten einen schmiedeeisernen Zaun. Sein Haar war braun, kurz geschnitten, eine kleine Strähne fiel ihm in die Stirn. Sein Gesicht war maskulin, kantig, er hatte eine schmale, gerade Nase und ein stures Kinn. Sein Mund war im Gegensatz dazu voll, fein modelliert, fast feminin, viel zu sexy. Ein Mund, der dunkle, sinnliche, geheime Talente verhieß.
    Die Überschrift lautete: »Crime Boss«, in dicken schwarzen Lettern. Die Unterzeile: »Verbrechen macht sich für Jay Butler Brooks sehr bezahlt.«
    Ellen schnitt dem Bild eine Grimasse. »Ich hätte dich verhaften lassen sollen.«
    Angewidert von sich selbst warf sie das Heft beiseite und kroch unter den Laken und den Büchern hervor. Sie versuchte, die Unruhe zu ignorieren, die in ihrem Bauch kribbelte, nahm das halbleere Glas Weißwein vom Tisch und tappte barfuß über den dicken elfenbeinfarbenen Teppich. Ihre Türen waren verschlossen. Ihre Alarmanlage lag auf dem Bett und beobachtete sie.
    Sie nippte gedankenverloren an ihrem Wein, zog den dichten Vorhang aus elfenbeinfarbener Spitze beiseite und sah hinaus in die Nacht. Der Neuschnee funkelte im Licht der Mondsichel wie ein Teppich aus weißen Diamanten. Schön. Friedlich. Keine Spur von dem Sturm, der Minnesota am Wochenende überrollt hatte. Keine Spur von der Gewalt, die Megan O'Malley ins Krankenhaus gebracht hatte. Keine Spur von Josh Kirkwood. Nur eine stille Nacht in Lakeside. Dem Viertel der Kirkwoods. Garrett Wrights Viertel.
    Ihr Haus war knapp zwei Straßen von ihrem entfernt. Aus ihrem Wohnzimmer konnte sie ein Stück vom See sehen, Quarry Hills Park, wo Mitch und Megan und Garrett Wright Samstag abend ein Drama auf Leben und Tod ausgetragen hatten, war zu Fuß zu erreichen. Ellen hatte vor ihrem Kamin gesessen, hatte Cappuccino und Konversation mit einem Freund genossen, ohne zu ahnen, was einen Steinwurf weit von ihrem Haus passierte.
    Harry hob plötzlich den Kopf, ein Knurren rollte tief in seinem Hals. Der Hund sprang vom Bett und stellte sich wachsam vor die Tür, die in den lichtlosen Korridor führte. Ellen stand in der Mitte des Zimmers, ihr Puls begann zu rasen, sie versuchte sich daran zu erinnern, wie sie die Türen zugesperrt hatte. Sie war von der Garage in die Küche gegangen. Sie schob immer den Riegel vor, wenn sie abends nach Hause kam. Es war Gewohnheit. Sie war durch die Vordertür hinausgegangen, um nach der Post zu sehen, war wieder hereingekommen und hatte den Riegel vorgeschoben, während sie die Worte SIE HABEN VIELLEICHT SCHON EINE MILLION DOLLAR GEWONNEN überflog.
    Die Türen waren verschlossen. Von unten, aus dem Wohnzimmer kamen seltsame Geräusche. Bei dieser Erkenntnis faßte sie neuen Mut, ging an ihrem Hund vorbei in den Flur. Harry winselte etwas verlegen, tapste hinter ihr her und stieß gegen ihre Beine, als sie an der kleinen Treppe stehenblieb, die zum Wohnzimmer hinunterführte.
    Schwaches Licht drang neben den Kanten der Rolläden herein. Die bequemen Sofas und Stühle waren undeutliche Gebirge im Dunkeln. Nichts bewegte sich. Niemand sprach. Unter dem warmen Flanell ihres Schlafanzugs kroch Gänsehaut an Ellens Rücken hoch. Ihre Nackenhaare stellten sich auf, als Harry erneut leise knurrte.
    Das Telefon schrillte. Das Geräusch peitschte wie ein Schuß durch den Raum. Harry galoppierte dumpf bellend los, ließ die gerahmten Fotos an den Wänden erzittern. Das Telefon läutete wieder. Beim letzten Anruf, den sie mitten in der Nacht bekommen hatte, hatte Mitch ihr mitgeteilt, daß Olie Swain tot war. Vielleicht hatte Wright die Reue gepackt, und er hatte sich auch umgebracht, aber das bezweifelte sie. Sie hatte Karen Wright gesagt, sie könne Tag und Nacht anrufen. Vielleicht hatte sich Wrights Frau aus dem Nebel der Verdrängung befreit.
    »Ellen North«, sagte sie, ihre Stimme nahm automatisch ihren Büroton an.
    Schweigen.
    »Hallo?«
    Die Stille schien sich zu verdichten, wurde schwer vor Erwartung.
    »Karen? Sind Sie das?«
    Keine Antwort. Der Anrufer blieb in der Leitung, schweigend, abwartend. Eine weitere Minute verging, die Uhr auf dem Nachttisch tickte. »Karen, wenn Sie das sind, haben Sie keine Angst davor, mit mir zu reden. Ich bin hier, um zuzuhören.«
    Immer noch nichts außer der unheimlichen Gewißheit, daß jemand am anderen Ende der Leitung war. Die Hoffnung, daß dieser Jemand Karen Wright war, verpuffte. Ellen wartete, während eine

Weitere Kostenlose Bücher