Engel der Verdammten (German Edition)
Lieder.«
Peter von Borgo nickte. »Dort, wo ich dich heute hinbringe, musst du auch allein singen, doch du darfst singen, so laut du möchtest. Niemand wird dich dafür strafen.«
Duyen sah ihn ernst an. Er erwiderte stumm ihren Blick, dann nickte sie, steckte das Bügeleisen aus und faltete den letzten Kissenbezug sorgsam zusammen.
»Gehen wir!«
Er begleitete sie in ihr kleines Zimmer, doch außer dem verschlissenen kleinen Pandabären wollte sie nichts mitnehmen. Was auch? Sie besaß ja nichts außer den abgetragenen Kleidern, die ihr die Wolfs zur Verfügung stellten.
»Komm«, sagte der Vampir sanft und hielt ihr die Tür auf.
Duyen folgte ihm zögernd bis auf die Straße. Vor dem Tor blieb sie stehen und sah sich neugierig um.
»Ich war nie hier draußen«, sagte sie. »Immer nur im Haus und ein paar Mal im Garten.«
Autos rauschten über die dunkle Straße an ihnen vorbei. Die Häuser zu beiden Seiten verbargen sich wie das der Wolfs hinter hohen Hecken und Mauern. Kein Mensch war zu sehen.
»Gehen wir zu Fuß?«, erkundigte sich Duyen.
»Es ist ein weiter Weg. Ich werde dich tragen.«
»Oh nein«, wehrte sie ab. »Ich kann selbst weit laufen. Früher sind wir immer zu Fuß bis in die Stadt gelaufen.«
»Vertrau mir. So sind wir schneller.«
Und ehe es sich Duyen versah, hatte er sie in seine Arme gehoben und lief los. Er überquerte die Straße und lief zur Elbe hinunter. Dort folgte er den Parkanlagen bis hinauf zum Leuchtturm im Baurs Park. Für einige Augenblicke hielt er an, damit Duyen sich umsehen konnte.
»Ich wusste nicht, dass es hier so schön ist. Ich habe so lange Zeit nichts davon gesehen.« Tränen traten ihr in die Augen und rannen ihr über die Wangen herab.
Peter von Borgo ließ sie noch eine Weile die frische Nachtluft und den Ausblick genießen, dann hob er sie wieder hoch und lief bis zu seinem Haus, das ihr Schutz bieten würde. Dafür hatte er gesorgt. Kein anderes nächtliches Wesen konnte in sein Domizil eindringen. Genauso wenig wie in Sabines Wohnung. Er hatte sie als sein Territorium gezeichnet und mit einem unsichtbaren, magischen Bann umgeben.
Peter von Borgo führte Duyen durch die Villa. Sie folgte ihm stumm mit vor Staunen weit aufgerissenen Augen. Vermutlich hatte sie noch nie ein solch prächtiges Haus betreten. Der Salon mit den deckenhohen Bücherregalen und dem Flügel in der Mitte entlockte ihr einen kleinen Aufschrei. Sie umrundete das schwarz glänzende Instrument ehrfurchtsvoll und trat dann an die hohen Flügeltüren, um in den Garten hinauszusehen.
»Du kannst dir eines der Schlafzimmer oben aussuchen«, sagte der Vampir. »Schlaf dich aus. In der Küche findest du leider nur sehr wenig zu essen, doch du wirst nicht hungern. Beschäftige dich, wie du magst, doch ich bitte dich: Verlasse auf keinen Fall das Haus, solange es dunkel ist. Bei Tag kannst du in den Garten hinaus oder im Park spazieren gehen, doch sei rechtzeitig zurück, wenn die Sonne untergeht. Ich werde nicht da sein können, um dich zu schützen, deshalb ist es wichtig, dass du dich daran hältst, wenn du deine Tochter irgendwann wieder in die Arme schließen willst.«
Duyen wandte sich zu ihm um und nickte. Dann ging sie auf ihn zu und schlang ihre Arme um ihn.
»Danke. Ich habe bisher noch keinen Engel gesehen, doch Sie müssen einer sein.«
»Nein«, widersprach der Vampir und schob sie von sich. »Und wenn, dann ein gefallener.«
Sabine wartete vergeblich auf einen Anruf von Felix. Wenn sie es auf seinem Handy versuchte, schaltete sich nur die Mailbox ein. Hatte er ihre Verabredung vergessen? Konnte ihm etwas zugestoßen sein? Hatte er sich zu weit vorgewagt? Hoffentlich nicht!
Grübelnd saß sie über ihrem kärglichen Frühstück, als das Telefon klingelte. Sie spürte, wie sie zusammenzuckte, als sie den Namen des Hauptkommissars auf der Anzeige las.
»Hallo, Thomas, guten Morgen, wie geht’s? Rufst du an, um mich zu fragen, ob ich mein einsames Samstagsfrühstück mit dir teilen möchte?«
Er lachte kurz auf. »Nein, leider nicht. Mein Anruf ist dienstlich.«
Sabine spürte, wie sich alles in ihr verspannte. »Was ist los?«, fragte sie widerstrebend.
»Uwe und Robert haben diesen Tariq aufgespürt und sind mit ihm und seiner Frau auf dem Weg zum Präsidium. Ich möchte Sönke nicht stören, könnte aber ein wenig Unterstützung bei der Befragung gebrauchen.«
Sabine ließ vor Erleichterung hörbar die Luft entweichen, die sie angehalten hatte.
»Ja, klar, bin in
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