Engel der Verdammten (German Edition)
einer halben Stunde da.«
Es dauerte dann doch ein wenig länger, da sie erst ihren Wagen am Friedhof abholen musste. Als sie im Präsidium ankam, saßen die beiden Verdächtigen bereits in zwei separaten Verhörräumen und warteten auf ihre Befragung. Sabine warf einen Blick durch die einseitig verspiegelte Scheibe. Tariq Kabaschi saß ganz ruhig da, die Hände auf dem Tisch gefaltet, den Blick gesenkt. Vermutlich ahnte er, dass er beobachtet wurde. Er war ein großer Mann um die vierzig mit einem trainierten Körper, was man trotz des ein wenig zu weit geschnittenen Anzugs sehen konnte. Vermutlich ging er regelmäßig zum Boxtraining oder etwas Ähnlichem. Sein schwarzes Haar trug er seriös und kurz geschnitten, sein Gesicht war frisch rasiert. Die etwas dunklere Hautfarbe wirkte frisch wie sonnengebräunt. Er sah gut aus. Sabine konnte sich vorstellen, dass er auf Frauen anziehend wirkte, wenn er lächelte.
Die Kommissarin wandte sich dem zweiten Raum zu, in dem Melanie Schmitz wartete. Im Gegensatz zu ihrem Mann wirkte sie eher unauffällig und war deutlich nervöser. Vielleicht konnte man aus ihr etwas herauskriegen. Sabine war überzeugt, dass sie von den illegalen Tätigkeiten ihres Mannes wusste.
Ob sie gar eine seiner früheren Prostituierten gewesen war? Der typische Fall des attraktiven Loverboys, der es verstand, ein Mädchen in sich verliebt und von sich abhängig zu machen, um es dann für sich auf den Strich zu schicken? Vielleicht. Jetzt jedenfalls ging sie vermutlich nicht mehr anschaffen. Sie war Mitte dreißig und beschönigte nichts – das Haar war ungepflegt, sie trug kein Make-up, verwaschene Jeans und einen ausgeleierten Pulli. Vielleicht gerade, weil sie in jüngeren Jahren den Männern hatte gefallen müssen? Sabine würde ihr nachher ein wenig auf den Zahn fühlen, doch zuerst nahmen sie sich Tariq vor.
Er erhob sich höflich, als sie eintraten. Tariq war groß, vielleicht eins neunzig, und schenkte der Kommissarin genau diese Art von Lächeln, das sonst vermutlich dazu diente, junge Mädchen zu ködern.
Der Hauptkommissar eröffnete die Befragung, während Sabine sich vorerst damit begnügte, ihn zu beobachten.
Sie merkte schnell, dass das nicht einfach werden würde. Er war eine harte Nuss. Er kannte seine Rechte und ließ sich nicht einmal von Thomas’ gefürchtetem Blick einschüchtern. So kamen sie nicht weiter. Sie tauschte mit dem Hauptkommissar einen Blick. Der erhob sich, murmelte eine Entschuldigung und verließ den Verhörraum.
Tariq taxierte die Kommissarin, die sich um einen naiven Gesichtsausdruck bemühte. Dann lächelte er, doch dieses Mal hatte es etwas Wölfisches. Er hatte ihre Taktik durchschaut. Nein, er war auf der Hut und würde sich nicht leichtsinnig zu einer Aussage hinreißen lassen. Sabine unterdrückte einen Seufzer und stellte dennoch ihre Fragen, von denen er keine auch nur annähernd zu ihrer Zufriedenheit beantwortete. Stattdessen klammerte er sich an seine Legende, nach der er ein völlig unbescholtener Bürger war, der vor zehn Jahren aus Albanien eingereist war, sich hier in seine jetzige Frau Melanie verliebt und sie nach wenigen Monaten geheiratet hatte. Seitdem bewohnten sie eine Wohnung in Barmbek.
»Und wovon leben Sie? Welcher Arbeit gehen Sie und Ihre Frau nach?«, wollte Sabine wissen. »Wir haben das nachgeprüft. Hartz IV bekommen Sie nicht.«
Er lächelte wieder. »Nein, wir liegen dem Staat nicht auf der Tasche. Meine Frau macht jede Woche einige Stunden in einem Lokal am Kiez sauber, und ich arbeite für meinen Cousin in seiner Disco.«
Sabine beugte sich vor und lächelte kühl zurück. »Gibt es dafür Arbeitsverträge, die wir sehen können?«
Tariqs Lächeln wurde noch strahlender. »Aber natürlich. Ich habe sie daheim in meinem Schreibtisch. Wir sind unbescholtene Bürger und tun nur, was recht ist.«
»Na wunderbar«, mischte sich der Hauptkommissar ein, der in diesem Moment den Verhörraum wieder betrat. »Dann werden wir sie ja sicher finden, wenn wir Ihre Wohnung durchsuchen.« Er wedelte mit einem Papier, während er Tariq nicht aus den Augen ließ.
»Du hast heute am Samstag einen Durchsuchungsbeschluss bekommen?«, entfuhr es Sabine.
»Oh ja, das habe ich. Dem Senat ist sehr daran gelegen, dass diese Mordserie so schnell wie möglich aufgeklärt wird. Wir erhalten jede nur denkbare Unterstützung, auch vonseiten der Staatsanwaltschaft.«
Sabine sah es an seinem Gesichtsausdruck. Es war fast so etwas wie
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