Engel der Verdammten (German Edition)
Erleichterung. Sie würden in seiner Wohnung nichts finden. Wenn es etwas Belastendes gab, dann nicht dort. Aber vielleicht irrte er sich ja. Sie mussten es auf alle Fälle versuchen.
Während Uwe und Robert sich bemühten, irgendetwas Hilfreiches aus Melanie Schmitz herauszubekommen, fuhr Sabine mit dem Hauptkommissar und einigen Männern der Spurensicherung nach Barmbek, um die Wohnung der beiden auf den Kopf zu stellen.
Er erwachte. Sein Schädel brummte und dröhnte, doch nicht nur der Kopf tat ihm verteufelt weh. Er versuchte sich auf die Seite zu drehen, doch der stechende Schmerz, der durch seinen ganzen Körper fuhr, hielt ihn davon ab. Er stöhnte und versuchte, die Augen zu öffnen, doch auch das schmerzte.
Was war passiert? Wo war er?
Er zwang sich, die Lider ein Stück zu heben, doch es blieb genauso finster wie zuvor. War er wach oder in irgendeinem Albtraum gefangen?
Felix wandte den Kopf zur Seite und stöhnte noch einmal. Nein, Träume konnten nicht derart wehtun. Was zum Teufel war mit ihm geschehen?
Denke wie ein Journalist!
Felix Leonhard versuchte, sich zu konzentrieren. Er lag auf dem Boden. Seine Finger tasteten über den Grund. Es fühlte sich an wie kaltes Metall. Die Luft war stickig und abgestanden. Es stank durchdringend nach Schweiß und menschlichen Exkrementen. Jeder Atemzug war eine Qual.
Felix zuckte zusammen, als sich eine heiße, feuchte Hand an seine Wange legte. Eine Stimme sprach leise aus der Dunkelheit auf ihn ein. Er verstand kein Wort – konnte nicht einmal sagen, um welche Sprache es sich handelte. Er nahm nur wahr, dass die Stimme einer Frau gehörte oder einem jungen Mädchen, das beruhigend, ja tröstend auf ihn einsprach.
Waren noch mehr Leute hier drin, was auch immer »drin« bedeutete? Er konzentrierte sich auf die Geräusche um ihn herum. Von draußen waren Motoren zu hören, dann ein Quietschen. Es dröhnte unvermittelt, als würde Metall auf Metall stoßen, und der Boden unter ihm erzitterte. Dann entfernte sich der Motorenlärm wieder, und er konnte die leisen Geräusche um sich herum wahrnehmen. Ein Scharren wie von Füßen, dann ein Flüstern. Er ahnte, wie sich noch mehr Menschen um ihn scharten. Wie viele waren es? Es war unheimlich, so gar nichts zu wissen und nichts sehen zu können, doch von den Unsichtbaren um ihn herum schien keine Gefahr auszugehen.
Wieder die Hand an seiner Wange und leise Worte, die sich wie Trost anhörten.
»Wer sind Sie?«, krächzte er. »Ich verstehe Sie nicht.«
Eine andere Gestalt näherte sich. Er spürte, wie der Metallboden unter ihren Schritten ein wenig nachgab. Sie kniete sich an seine Seite und tastete nach seinen Händen. Eine Hand schob sich in die seine. Die Finger waren von irgendeiner schweren Arbeit schwielig, doch so klein und schmal, dass sie einem Kind gehören mussten.
»Do you speak English?«, hauchte eine Stimme in einem hellen Singsang mit typisch asiatischem Akzent.
»Yes«, gab Felix zurück, doch seine Antwort ging in erneutem Motorenlärm und einem metallenen Kreischen unter. Wieder bebte der Boden.
Da fiel es ihm wieder ein. Tariq. Die Verfolgung zum Containerhafen und der Hinterhalt, in den er so leichtsinnig getappt war. Sie hatten ihn niedergeschlagen und hierhergeschleppt. Seine Hand tastete nach dem Metallboden unter sich. Er steckte in einem Container! In einem unter Tausenden, die hier im Hamburger Hafen umgeschlagen wurden. Es war, als hätten sie ihn lebendig begraben. Wie stickig und verbraucht die Luft trotz der Kälte um ihn herum war. Es gab nur winzige Luftschlitze in einer Ecke oben. Wie sollte jemand auf die Idee kommen, ihn hier zu suchen? Und wie lange würde der Container unterwegs sein, bis er sein Ziel erreichte? Wo auch immer das war.
Die tastende Hand an seinem Arm erinnerte ihn daran, dass er nicht allein in dieser misslichen Lage steckte.
»Wie heißt du?«, fragte er auf Englisch.
»Ich heiße Tamika«, antwortete die kindliche Stimme.
»Wie viele seid ihr hier, und wo kommt ihr her?«
»Wir sind acht Mädchen. Meine Schwester Sira und ich kommen aus Thailand. Die anderen sind aus Vietnam. Zwei kommen aus der Türkei. Sie kamen zu uns, als sie uns in Istanbul in diesen Container gesteckt haben.«
»Ihr steckt seit Istanbul in dieser Kiste?«
Er spürte, wie sie nickte. »Ja, wir haben Angst, und uns ist kalt. Sira und Adila sind krank. Sie haben Fieber. Wir haben gehofft, dass uns bald jemand holt, aber es kam nur jemand, der dich hier hereingeworfen hat.
Weitere Kostenlose Bücher