Engel der Verdammten (German Edition)
zur Eingangstür des grauen Hauses. Sie klingelten, doch nichts tat sich. Offensichtlich enttäuscht trollten sie sich wieder.
»Wir haben Tariq und Melanie heute verhört«, sagte Sabine. »Thomas wollte sie gehen lassen und sie beschatten, doch anscheinend ist noch keiner von ihnen hier.«
»Vielleicht haben sie bemerkt, dass sie verfolgt werden?«, schlug der Vampir vor.
»Vielleicht«, gab Sabine mit einem Seufzer zu.
»Und deshalb ist es die ideale Nacht, um heute hier zuzuschlagen«, ergänzte er.
» Wenn der Vampir es auf die armen Frauen abgesehen hat, ja«, schränkte sie ein. Sie zog ihr Handy hervor und rief Thomas Ohlendorf an. Der Hauptkommissar meldete sich sofort.
»Hallo, Thomas. Habt ihr die beiden schon entlassen?«
»Ja, vor einer Stunde. Wir haben ihnen ein Team hinterhergeschickt, aber dummerweise hat Tariq seine Frau irgendwo auf dem Kiez aussteigen lassen. Die Männer sind immer noch an ihm dran. Leider habe ich keine Ahnung, wo Melanie abgeblieben ist.«
»Aber ich habe eine ziemlich genaue Vorstellung davon! Ich gehe jede Wette ein, dass sie auf dem Weg zu ihrem Puff ist, der sich hier in einer Seitenstraße vom Kiez in einer Wohnung befindet. Es ist Samstagabend. Der Rubel muss schließlich rollen, und die ersten Gäste sind bereits frustriert wieder abgezogen.«
Für einen Moment war Stille auf der anderen Seite. Dann hörte sie den Hauptkommissar tief Luft holen.
»Sabine, wenn das ein Scherz ist … Woher weißt du von dem illegalen Bordell? Mensch, wir haben stundenlang in der Wohnung der beiden jeden Papierschnipsel aufgeklaubt, um etwas zu finden, und du behältst die Adresse des Bordells für dich?«
Sie sah zu dem Vampir hinüber, der kaum merklich nickte.
»Nein, ich habe es selbst gerade erst erfahren. Frag nicht, von wem! Kommt lieber her, um den Laden auseinanderzunehmen.« Sie nannte ihm die Adresse.
»Wir sind schon unterwegs!«
Sabine legte auf und richtete ihren Blick wieder auf die menschenleere Gasse, die im trüben Licht der wenigen Straßenlaternen vor ihnen lag.
Die Silhouette einer Frau bog um die Ecke. Sabine spürte, wie sich Peter von Borgo neben ihr verspannte. Leichtfüßig kam sie die Straße entlang. Es war nicht Melanie Schmitz. Das Haar war dunkel, und sie bewegte sich zu schnell. Zu grazil. Irgendwie kam ihr die Frau bekannt vor. Eine seltsame Traurigkeit erfasste sie. Etwas zerbrach in den Tiefen ihres Unterbewusstseins.
Der Lichtkegel der ersten Straßenlaterne erfasste die Gestalt. Sabine hielt die Luft an. Der orange Lichtschein strich über schulterlanges, schwarzes Haar und schmeichelte der Gestalt mit der attraktiven, weiblichen Figur. Für einen Augenblick glaubte sie Aletta vor sich zu sehen, bis ihr einfiel, dass sie sich täuschen musste. Aletta war tot! Sie hatte sich das Leben genommen.
Und doch …
Sabine hielt den Atem an. Sie beugte sich vor und starrte auf die Gestalt, die sich nun von der Lampe wieder entfernte und in die Dunkelheit eintauchte.
Nein, das war unmöglich. Das konnte nicht sein! Und doch …
Die Frau näherte sich der nächsten Straßenlaterne, aber kein Schatten folgte ihr. Kein Schatten eilte ihr voraus.
»Sie ist ein Vampir?«, keuchte Sabine. »Dort draußen ist Aletta, und sie ist ein Vampir!«
»Ja«, antwortete Peter von Borgo schlicht. Eine tiefe Traurigkeit schwang in dem einzigen Wort mit.
»Wie ist das möglich?«, stotterte die Kommissarin, doch schon während sie die Frage aussprach, wusste sie die Antwort. Aletta hatte sich nicht selbst das Leben genommen. Sie hatte den Vampir gebeten, es ihr zu nehmen. Es mit ihrem Blut aus ihr herauszusaugen.
»Du hast sie zum Vampir gemacht?«, rief Sabine und spürte, wie Entsetzen in ihr aufwallte. »Aber wie? Wieso? Ich dachte, das geht nur, wenn das Opfer freiwillig vom Blut des Vampirs trinkt. So hast du es mir gesagt.«
»Das ist richtig.«
»Dann wollte sie es, und du hast es zugelassen?« Sabine war erschüttert. »Du hast doch gesagt, man erschafft sich nicht leichtfertig einen Vampir.«
»Es war nicht leichtfertig«, sagte er gepresst. »Sie war etwas ganz Besonderes. Ich wollte nicht, dass sie so früh schon geht und für immer verloren ist.«
Tief in ihrem Herzen spürte Sabine einen schmerzhaften Stich. Hatte er nicht immer gesagt, sie wäre die Einzige für ihn? Er würde alles tun, um sie zu seiner nächtlichen Gefährtin zu wandeln, um für alle Ewigkeit an ihrer Seite zu bleiben? Sie hatte abgelehnt, und dennoch traf es sie tief, dass
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