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Engel der Verdammten (German Edition)

Engel der Verdammten (German Edition)

Titel: Engel der Verdammten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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er sich so einfach einen Ersatz genommen hatte. War Aletta nun seine Gefährtin? Begehrte er sie? Ging er mit ihr auf die Jagd? Liebte er sie in seinem Himmelbett?
    Aletta verschwand im Eingang. Die Tür öffnete sich und fiel dann hinter ihr zu. Hatte sie sich einen Schlüssel besorgt? Egal. Jedenfalls war sie im Haus.
    Peter von Borgo riss die Wagentür auf. »Komm schnell. Wir müssen uns beeilen, damit wir nicht zu spät kommen.«
    Sabine hastete hinter ihm her. Dennoch hatte er die Tür bereits erreicht, sich in Nebel aufgelöst und auf der anderen Seite wieder materialisiert, ehe sie am Eingang anlangte. Er öffnete ihr von innen die Tür.
    »Rasch, die Treppe hinauf!«
    Auf dem mittleren Absatz hielt er inne und ließ Sabine aufholen.
    »Was ist?«, drängte sie, als sie seinen Gesichtsausdruck sah.
    »Ich rieche frisches Blut. Sie scheint keine Zeit verlieren zu wollen.«
    »Dann beeil dich! Worauf wartest du?«
    Mit zwei großen Sätzen war er an der Tür. Sie war angelehnt, ein Schlüssel steckte im Schloss. Aletta war sich ihrer Sache anscheinend sehr sicher. Die Kommissarin stürmte hinter dem Vampir in die Wohnung. Mit einem raschen Blick sah sie sich um. Vor langer Zeit war dieser Ort vielleicht einmal ein Büro oder eine Kanzlei gewesen. An den Windfang schloss sich ein kleiner Empfangsbereich mit einer Theke an, hinter der Melanie die Kunden in Empfang nahm. Sabine spürte, wie ihr schlecht wurde, oder war das nur der Geruch nach frischem Blut, der nun auch ihr in die Nase stieg?
    Peter stürzte schon auf die erste Tür zu, die von einem schmalen Gang abging und nur angelehnt war. Sabine folgte ihm.
    Aletta!
    Ja, es bestand kein Zweifel. Sie war es. Aletta, um die sie geweint und an deren Grab sie getrauert hatte. Nun stand sie vor ihr und wirkte noch lebendiger als zu ihren Lebzeiten.
    Sie hatte sich ja schon immer schwarz gekleidet und selbst ihre Lippen und ihre Fingernägel schwarz bemalt. Nun mit der reinen, weißen Haut stach das Schwarz noch deutlicher hervor, doch es verlieh ihr auch eine überirdische Schönheit, berückend und schrecklich zugleich. Oder lag das nur an dem Blick aus ihren roten Augen, der sich so eindringlich auf sie richtete. So ursprünglich, wild und grausam wie ein Raubtier, bar jeder menschlichen Moral.
    Aletta hielt eine hübsche, blonde Frau in den Armen, deren Blick apathisch zur Decke gerichtet war. Sie war jung, ja, fast noch ein Mädchen. Sabine schätzte sie auf fünfzehn oder sechzehn, doch die Zeit der Unschuld lag schon länger hinter ihr. Auf dem Bett kauerte eine zweite junge Frau, die ähnlich paralysiert ins Leere starrte und dennoch am ganzen Leib zitterte.
    Als Aletta bei ihrem Eintreten den Kopf hob, rann Blut von ihren langen Reißzähnen und tropfte auf das Nachthemd ihres Opfers. Das frische Blut strahlte unnatürlich rot. Die schwarz geschminkten Lippen verzerrten sich zu einem wölfischen Grinsen.
    »Ah, wir haben hohen Besuch. Ich habe mich schon gefragt, was ich noch alles tun muss.«
    »Bis wir dein sinnloses Morden endlich unterbinden?«, unterbrach sie Sabine. Sie war so wütend, dass sie keine Angst empfand und nicht an die Gefahr dachte, in der sie schwebte.
    »Nachdem der Tod einer einzelnen armen Frau offensichtlich nicht genügt, dachte ich, ich versuche es mit etwas Spektakulärerem. Einer Wohnung voller Leichen! Das wäre doch eine Schlagzeile wert, oder?«
    Sie drückte das Opfer fester an sich. Der Frau entfuhr ein leises Stöhnen.
    »Lass sie los«, sagte Peter von Borgo, der neben Sabine im Zimmer stand.
    Aletta kicherte und biss noch einmal zu. Sabine fuhr zusammen. Es war ihr, als könne sie die Zähne in ihrem Hals spüren.
    »Ihr versucht, sie zu retten? Wie wollt ihr das anstellen?«
    Schneller, als Sabine ihr mit dem Blick folgen konnte, riss sie ein Messer aus ihrer Rocktasche. Es war lang und schmal, und seine scharfe Klinge blitzte im trüben Schein der Straßenlampe vor dem Fenster.
    »Nein!«, schrie Sabine und sprang vor, doch sie war viel zu langsam. Die scharfe Klinge schwebte bereits kaum einen Fingerbreit über dem Hals des Opfers, als Peter Alettas Arm abfing und mit seinem eisenstarken Griff umklammerte.
    »Hör auf! Warum tust du das?«
    »Warum?«, rief sie schrill und lachte dann. Doch es war kein schönes Lachen. Es klang nach Schmerz und Verzweiflung. »Das fragst ausgerechnet du? Du hast mich doch zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Jetzt muss ich Nacht für Nacht gierig nach Blut durch die Straßen streifen.

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