Engel der Verdammten (German Edition)
räuspern, ehe sie einen Ton herausbrachte, und auch dann klang ihre Stimme fremd in ihren eigenen Ohren.
»Es war so heiß drinnen. Ich wollte nur ein wenig frische Luft schnappen.«
Ulf sah sich fröstelnd um. Er nickte zwar, schien aber nicht recht überzeugt. »Apropos Luft. Die Luft ist jetzt wieder rein. Angelika hat Kopfschmerzen, und ein ziemlich angesäuerter Jens verabschiedet sich gerade von unseren Gastgebern.«
Sabine verzog die Lippen. »Oh, muss ich jetzt sagen, dass mir das leidtut?«
Ulf erwiderte das Grinsen. »Nein, ich möchte dich nicht zu einer Lüge verführen.«
Er brachte sie zu den anderen Gästen zurück, doch auch er hatte keine Lust, länger zu bleiben, und so brachte er sie kurz nach Mitternacht nach Hause.
Die ganze Nacht zerbrach sich Sabine den Kopf, wie sie die Aufmerksamkeit der Polizei auf den Tatort im Haus der Reißenbergers lenken könnte. Dass jemand die junge Frau als vermisst melden würde, war unwahrscheinlich. Vielleicht sollte sie sich morgen Nacht zusammen mit dem Vampir auf die Suche nach der Leiche machen? Sie spürte, wie eine leichte Übelkeit in ihr aufstieg.
Sie schüttelte das Gefühl ab. Solche Empfindlichkeiten konnte sie sich nicht leisten. Schließlich war sie Kommissarin, und es war ihre Aufgabe, Verbrechen aufzuklären.
Da fiel ihr ein, dass er ihr gar nicht gesagt hatte, wohin man die Tote geschafft hatte. Sie würde ihn fragen, sobald sie ihn wieder zu Gesicht bekam. Mit einem Lächeln auf den Lippen fiel die Kommissarin in einen unruhigen Schlummer.
Kapitel 4
Tote gehören auf den Friedhof
Als Sabine am nächsten Morgen im Präsidium ankam, rief sie als Erstes beim Jugendamt an und erkundigte sich nach dem Findelkind, doch leider gab es keine neuen Erkenntnisse. Dann telefonierte sie mit der Kriminaltechnik, die die Kleider und die wenigen Habseligkeiten untersuchten, die das Mordopfer im Botanischen Garten bei sich gehabt hatte.
»Irgendwelche verwertbaren Fingerabdrücke?«
»Keine, die wir zuordnen konnten«, verkündete der Kollege. Sabine fühlte, wie sie in sich zusammensackte.
»Nur einer.«
»Ja? Ich bin ganz Ohr.«
»Wir haben hier auf ihrer Puderdose einen Fingerabdruck von einem Dr. Gerd Jaspar.«
»Und wie kommen seine Fingerabdrücke in unsere Datei?«, hakte die Kommissarin nach.
Es folgte eine Pause, während der sie das Klacken einer Tastatur hörte. »Eine Anklage wegen Steuerhinterziehung. Er bekam fünfzehn Monate auf Bewährung. Oh!«, stieß der Kollege am anderen Ende aus.
»Was? Bernd, nun spann mich nicht auf die Folter.«
»Sein Anwalt war Jens Thorne. Ist aber schon sechs Jahre her.«
»Wie schön«, kommentierte Sabine. »Ich sehe mir die Akte an, und dann werden wir dem Herrn mal einen Besuch abstatten.«
Den ganzen Morgen brütete Sabine über der Akte des Finanz- und Steuerberaters, der offensichtlich nicht nur das Vermögen seiner Kunden sehr kreativ verwaltet hatte. Es war ihm auch gelungen, seine eigene Steuerschuld in beneidenswerte Tiefen zu drücken – bis dann doch jemand genauer nachgesehen und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte.
Sabine überflog die Unterlagen über seine Finanztransaktionen nur, doch sie konnte nicht umhin zu bemerken, dass ihr Ex ganze Arbeit geleistet haben musste, um seinen Mandanten mit einer Bewährungsstrafe davonkommen zu lassen. Zwar hatte er einen Batzen Steuern nachzahlen müssen, doch sie vermutete, dass seine Vermögenswerte, die er unbemerkt ins Ausland geschafft hatte, um ein Vielfaches höher waren. Und nun hatte er anscheinend als einer der letzten Menschen mit dem Mordopfer Kontakt gehabt. Mal sehen, wie ihm eine Befragung zu diesem Thema schmeckte.
Die Kommissarin trank ihren Tee aus, den Sönke ihr zubereitet hatte.
»Was is?«, erkundigte sich Sönke, der von dem Aktenordner auf seinem Schreibtisch aufsah.
»Was sollte denn sein?«
Der alte Kriminalobermeister wiegte den Kopf hin und her. »Ich weiß nicht recht, du hast wieder dieses gewisse Glitzern in den Augen.«
»Das was bedeutet?«, wollte Sabine wissen.
»Ich weiß nicht recht«, wiederholte ihr Kollege, »aber erfahrungsgemäß taucht es auf, ehe du unangenehm wirst, und es bedeutet immer Ärger für irgendjemanden.«
Sabine lachte. »Schon möglich, aber keine Sorge, nicht für dich.«
»Wen hast du denn auf’m Kieker?«
»Den Finanz- und Steuerberater Dr. Gerd Jaspar«, teilte ihm die Kommissarin mit.
»Und was hat er deiner Meinung nach ausgefressen?«, fragte Sönke träge
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