Engel der Verdammten (German Edition)
Fenster, dass sie Möbel, Teppiche und vermutlich teure Kunstgegenstände erkennen konnte. Auf den ersten Blick wirkte alles sauber und aufgeräumt. Nicht ungewöhnlich für solch ein Haus. Nur der scharfe Geruch, der ihr in die Nase stieg, passte nicht ganz dazu. Sie warf einen Blick in die blitzblanke Küche und durchquerte den großzügigen Wohn- und Essbereich mit dem offenen Kamin. Auch die Diele mit dem Windfang war ungewöhnlich groß und luftig angelegt und erinnerte mit der breiten Treppe, die in einem kühnen Schwung nach oben führte, ein wenig an die Pracht der alten Hamburger Kaufmannshäuser.
Bedächtig stieg sie die Treppe hinauf. Ihre Augen hatten sich inzwischen so gut an die Dunkelheit gewöhnt, dass sie immer mehr Details wahrnahm. Sie sah in das Schlafzimmer und das luxuriöse Bad der Reißenbergers, an das ein Zimmer anschloss, das als begehbarer Kleiderschrank genutzt wurde. Außerdem gab es noch ein Arbeitszimmer und ein zweites, kleineres Schlafzimmer mit Bad. Am Ende des Flurs führte hinter einer schmalen Tür eine Treppe zum Dachboden hinauf. Der größte Teil war offen und enthielt, wie vermutlich die meisten Dachböden, alte Möbel und Kisten mit allerlei Kram, den man weder brauchte noch endgültig wegwerfen wollte. Am Westgiebel gab es noch eine kleine Kammer. Sabine schloss die Tür auf und warf einen Blick hinein: ein einfaches Feldbett mit einer Decke, eine Kiste, ein wassergefüllter Eimer, ein Kleiderständer mit alten Kittelschürzen. Nichts Besonderes.
Die Kommissarin drehte sich zu Peter von Borgo um, der ihr stumm durch das ganze Haus gefolgt war.
»Wo ist der Mord geschehen?«
»Unten in der Küche.«
Er stieg mit der Kommissarin wieder die Treppe hinunter. Je näher sie der Küche kamen, desto stärker wurde der Geruch von scharfem Essigreiniger und Bleiche.
»Hier lag sie auf dem Boden«, sagte der Vampir. »Es ist viel Blut geflossen. Kannst du es riechen?«
Sabine schüttelte den Kopf. »Ich rieche nur die Reiniger, die sie verwendet haben, um das Blut zu beseitigen.« Sie ging in die Knie und ließ den Blick aufmerksam über den gefliesten Boden wandern.
»Die haben wirklich ganze Arbeit geleistet.« Die Kommissarin seufzte. »Ich bräuchte Luminol, doch leider gehört das nicht zu den Dingen, die ich auf eine Party mitnehme!«
»Luminol? Was ist das?«, erkundigte sich der Vampir.
»Das ist eine Substanz, die wir in der Spurensuche verwenden. Es wird in Natronlauge gelöst und dann, kurz bevor es zum Einsatz kommt, mit Wasserstoffperoxid vermischt. Trifft diese Mischung noch auf winzigste Spuren von Hämoglobin, wirken die Eisenionen als Katalysator für eine chemische Reaktion, bei der bläuliches Licht ausgestrahlt wird. Man nennt das Chemolumineszenz.«
»Klingt kompliziert«, kommentierte der Vampir trocken. »Ich brauche nur meine Nase, um dir zu sagen, wo die Blutlachen waren. Dort hat sie gelegen, als ihr das Blut zu beiden Seiten aus der aufgeschlitzten Kehle rann.«
»Wie hat sie ausgesehen?«, fragte die Kommissarin leise.
Während der Vampir sie zur Party nebenan zurückbrachte, beschrieb er die Tote, auf die er einen kurzen Blick hatte werfen können, ehe man sie in einen Teppich gewickelt und fortgeschafft hatte.
Auf der Terrasse angekommen, schlüpfte Sabine wieder in ihre Pumps. Als sie wieder aufrecht stand, umfing er sie mit seinen Armen und presste sie an sich. Sie spürte, wie sein keuchender Atem eisig ihren Hals entlangstrich. Hatte die Erinnerung an das Blut der Toten ihn so erregt? Seine Lippen glitten über ihre Haut.
»Peter, nicht!«, hauchte sie, obgleich sie spürte, wie seine Erregung auf sie übersprang. Er fühlte, dass sie schwach wurde. Ihr Widerstand schmolz schneller als Eis in der Sonne. Nur einen Kuss, was konnte dabei schon passieren?
Alles!
Ihr Körper bebte, als würde sie unter Strom stehen. Es war nicht nur das Gefühl von seinen Lippen auf den ihren, seiner Zunge, seinen spitzen Zähnen. Seine Kälte setzte ihren Körper in Flammen. Seine unerbittliche Leidenschaft verbrannte sie. Sie würde mit ihm gehen und nichts und niemand würde sie jemals wieder trennen.
Da hörte sie, wie die Terrassentür aufgezogen wurde. Seine Lippen und seine Arme lösten sich von ihr, und nur ein kalter Windhauch blieb zurück.
»Ach, hier bist du. Ich habe mich schon gefragt, wo du abgeblieben bist«, erklang Ulfs Stimme.
Sabine zuckte zusammen. Es war ihr, als würde sie aus einer anderen Welt auftauchen. Sie musste sich
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