Engel der Verdammten (German Edition)
in eiserner Selbstbeherrschung?
Weil er sie wollte! Weil er seit seiner Wandlung nichts mehr so sehr begehrt hatte wie diese Frau an seiner Seite. Als Gefährtin der Nacht für alle Ewigkeit!
Ein Hauch von Besorgnis schob sich in seine Züge, und er runzelte die Stirn. Da war etwas, das ihm ganz und gar nicht gefiel. Eine Gefahr, die sich am Horizont erhob. Er hatte gedacht, auf dieser Welt würde es nichts mehr geben, das ihm Furcht bereiten könnte, doch er hatte sich geirrt. Er fürchtete sich, sie wieder zu verlieren.
Tief in seine Grübelei versunken verließ er das verborgene Kellergemach und stieg hinauf in den Salon, um die Flügeltüren zu öffnen und die frische Nachtluft hereinzulassen. Ein Hauch von verblassendem Rosa färbte die Wolken über ihm noch für einige Augenblicke, dann übernahmen die düsteren Farben der Nacht.
Peter von Borgo setzte sich an den Flügel und spielte ein wenig Beethoven und Chopin, doch die Musik befreite ihn nicht wie sonst. Die Anspannung wich nicht, und nach zwei Stücken gab er es auf, klappte den Deckel zu und schloss die Türen wieder. Wie jede Nacht verspürte er Blutdurst, und obgleich er wusste, dass in dieser Nacht kein Blut der Welt ihm seine Ruhe zurückgeben konnte, folgte er seiner Natur und machte sich auf die Suche nach einem geeigneten Opfer.
Der Vampir durchquerte den Park und strich an den Gärten der Wohlhabenden vorbei, die sich hier hinter Mauern und Hecken zurückzogen, um sich die Mühsal und die hässlichen Seiten der Welt zu vom Leib zu halten.
»Nein! Oh bitte nein!«
Eine weibliche Stimme klang an sein Ohr. Es war nicht mehr als ein unterdrücktes Flüstern, doch es klang so viel Verzweiflung in der von Tränen fast erstickten Stimme, dass der Vampir stehen blieb.
»Jetzt stell dich nicht so an«, raunte eine männliche Stimme bemüht leise, doch für die Ohren des Vampirs deutlich zu hören. Peter von Borgo drückte sich zwischen dem dichten Buschwerk in den kleinen Garten und ließ den Blick zu einem Fenster oben im Giebel wandern. Das Zimmer war dunkel, doch das Fenster stand einen Spalt weit offen. Und durch diesen Spalt wehten nun das leise Stöhnen und ein unterdrücktes Schluchzen zu ihm herab. Er konnte die beiden Menschen wittern. Da war der Schweiß der Erregung, der animalischen Lust, die dem offenbar noch jungen Mann aus allen Poren drang. Und der Schweiß der Frau, der nach harter Arbeit roch, nach Erschöpfung und Abscheu. Er witterte Verzweiflung, aber keine Angst. Eher Resignation.
»Nun mach schon«, hörte er den jungen Mann raunen. Ein Deckbett rauschte. Die Federn einer alten Matratze quietschten. Wieder stöhnte die Frau leise. Es dauerte nur einen Wimpernschlag, dann war der Vampir verschwunden. Ein Hauch von grünlichem Nebel floss die Hauswand empor und durch den Fensterspalt in das Zimmer, das fast unnatürlich sauber wirkte, so als würden die wenigen Möbel, der Boden, ja selbst die Wände täglich abgeschrubbt.
Den größten Teil des Zimmers, eigentlich war es eher eine Kammer, nahm ein Bett ein. Und auf diesem Bett drückte ein etwa Siebzehnjähriger eine Frau von vielleicht dreißig Jahren in die Kissen. Sie wehrte sich nur halbherzig, als er ihr das zerschlissene Nachthemd hochschob und sich zwischen ihre Knie drängte.
»Nein, lass mich los«, stöhnte sie, und der Vampir konnte den Widerwillen in ihren Augen sehen. Dies war ganz sicher nicht das erste Mal.
»Nun stell dich nicht immer so an«, gab der Junge zurück. »Du bist eine Hure, du hast das schon tausendmal gemacht!«
»Ich bin keine Hure mehr«, wimmerte sie.
»Ist doch egal!«
Vielleicht wollte sie etwas erwidern, aber da erfasste ihr Blick die schattenhafte Gestalt, die sie aus roten Augen betrachtete. Ihr Mund blieb offen stehen, doch es kam kein Ton heraus. Angst zuckte durch ihre Glieder. Ihr Widerstand erlahmte. Ihre Knie fielen zur Seite. Doch ehe der Junge in sie eindringen konnte, packte ihn eine eiserne Hand am Hals und zog ihn mit einem Ruck vom Bett.
Dann hing er zappelnd im Griff des Vampirs, nur mit seinem kurzen T-Shirt bekleidet. Seine noch vor einem Augenblick stolz emporgereckte Männlichkeit schnurrte zu einem Nichts zusammen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er den Vampir tonlos an.
Was für ein widerliches Würstchen! Es war eher ein Gefühl von Abscheu denn von Lust, als er ihm in den Hals biss und sein Blut in seinen Mund sprudeln ließ. Er trank, bis er merkte, wie sein Opfer erschlaffte, dann öffnete er die Tür
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