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Engel der Verdammten (German Edition)

Engel der Verdammten (German Edition)

Titel: Engel der Verdammten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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und warf den Jungen achtlos auf den Flur hinaus. Der weiche Teppich dämpfte den Aufprall. Sollte er selbst sehen, wie er den Weg in sein Zimmer fand.
    Leise schloss der Vampir die Tür und wandte sich der Frau zu, die ihn noch immer stumm ansah.
    »Wer sind Sie?«, hauchte sie mit einem starken russischen Akzent. Hastig zog sie sich das Nachthemd über ihre Blöße.
    Vielleicht war sie einmal hübsch gewesen. Sie war groß und hatte lange Beine. Mit ihrem hellen Haar und dem schlanken Körper konnte er sich gut vorstellen, wie ihr die begehrlichen Männerblicke gefolgt waren. Früher, vor etlichen Jahren. Heute würde ihr keiner mehr hinterhersehen.
    »Mein Name ist Peter von Borgo, und wer sind Sie?«
    »Fjodora«, sagte sie leise. »Ich komme aus Weißrussland, aber das ist schon sehr lange her. Wo kommen Sie her, und was machen Sie hier?«
    Der Vampir lachte leise. »Ich komme aus Rumänien«, sagte er, obwohl er wusste, dass sie ihre Frage nicht so gemeint hatte. »Aber das ist noch viel länger her. Ich kam zufällig vorbei, und mir schien, Sie könnten meine Hilfe gebrauchen.«
    Die Frau in ihrem verwaschenen Nachthemd schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass man mir noch helfen kann. Früher vielleicht einmal … «
    »Von Weißrussland ist es ein langer Weg hierher«, sagte er.
    Sie überlegte. »Nein, eigentlich nicht. Ein einziger falscher Schritt genügt, und schon gibt es kein Zurück. Ich war vierzehn und sehr dumm, als ich mich in einen Jungen verliebte. Eines Tages ging ich mit ihm nach Hause. Sein älterer Bruder war auch dort und mit ihm drei seiner Freunde. Ich war damals schon groß, mein langes Haar war mein ganzer Stolz, und ich genoss die begehrlichen Blicke der Männer.«
    Sie schwieg, und der Vampir spürte, wie sie zurück in die Vergangenheit glitt. Vielleicht hatte sie noch nie über ihr Schicksal gesprochen. Doch jetzt, im Schutz der Dunkelheit und unter dem Einfluss seiner Magie, brach der Damm.
    »So naiv!«, sagte sie leise. »Sie schickten Andrej hinaus. Dann fielen sie über mich her. Einer nach dem anderen. Jegor sagte danach, ich würde etwas taugen. Sie schlossen mich ein, bis es dunkel war, dann brachten sie mich zu einem Auto und fuhren mich zu einer fremden Wohnung, wo es noch mehr junge Mädchen gab, denen es ähnlich ergangen war wie mir. Am nächsten Tag wurden einige von uns nach Moskau gebracht. Wieder eine Wohnung, wieder andere Mädchen und fremde Männer, denen wir uns fast nackt zeigen mussten, dass sie uns von allen Seiten ansehen und anfassen konnten. Sie haben mich und zwei andere gekauft. Dann nahmen sie uns mit. Ich habe in vielen Bordellen und versteckten Wohnungen gearbeitet. Dreimal wurde ich weiterverkauft, bis ich dann zu Tariq nach Deutschland kam. Für ihn und seine Frau Melanie habe ich sieben Jahre lang gearbeitet. Ein Mädchen hat mir gesagt, die Wohnung wäre nur einen Steinwurf von der berühmten Reeperbahn entfernt, doch ich habe sie nicht gesehen. Ich habe die Wohnung nie verlassen. Selbst als ich schwanger wurde und mein Kind abtreiben lassen musste, brachten sie den Arzt in die Wohnung, und zwei Tage später musste ich schon wieder arbeiten. Ich war sechsmal schwanger!« Wieder schwieg sie eine Weile, ehe sie die Kraft fand, weiterzusprechen.
    »Melanie empfing die Männer und teilte sie uns zu. Sie sagte, was wir mit ihnen machen sollten, und kassierte das Geld. Einen Lohn haben wir nie bekommen. Selbst die, die freiwillig mitgekommen sind, weil ihnen eine Arbeit in einem Restaurant oder als Kindermädchen versprochen worden ist. Wir alle mussten unseren Kaufpreis abarbeiten oder die Kosten für Schleuser, für einen Pass, für das Visum und die Reise. Dazu kamen Miete, Essen, Kleider. Es blieb nie etwas für uns, und wenn wir etwas brauchten, besorgte Melanie es und schrieb einen Preis dafür in ihr Buch. Ich wusste, dass ich nie frei sein würde.«
    Sie zog sich die Decke bis an den Hals, doch der Vampir ahnte, dass es nicht die Kühle der Nachtluft war, die sie frösteln ließ.
    »Wie sind Sie hierhergekommen?«, fragte Peter von Borgo nach einer Weile.
    »Sieben Jahre war ich bei Tariq. Innerlich war ich längst gestorben, doch mein Körper funktionierte noch und bot sich Nacht für Nacht den Männern an, die kamen, ihre Lust an ihm abreagierten und wieder fortgingen. Wir haben täglich geduscht, doch die vielen Männer lassen Spuren zurück, erst in der Seele, dann in unseren Gesichtern und auf unserem ganzen Körper. Es hat lange

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