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Engel der Verdammten (German Edition)

Engel der Verdammten (German Edition)

Titel: Engel der Verdammten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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aber mir kommt dennoch die Galle hoch, wenn ich so etwas sehe!«
    Sie machten sich auf den Weg zu den Nachbarn auf der anderen Seite. Eine Frau, Ende zwanzig, öffnete ihnen. Sie stellte sich als Frau Hauptmann vor und bat sie herein. Sie wohnte hier mit ihrem Mann, einem Kinderarzt, der im Moment in der Klinik war – im Kinderkrankenhaus Altona, wo er in der Neurochirurgie arbeitete –, und mit ihrer gemeinsamen Tochter Annalena, die gerade erst ihren siebten Geburtstag gefeiert hatte.
    Die Frage nach einer Haushaltshilfe beantwortete sie bereitwillig. »Ja, dienstags und donnerstags kommt Frau Wedel, um einmal durchzuwischen und die Bäder zu putzen. Sie nimmt auch die Bügelwäsche mit. Ich kann Ihnen ihre Adresse geben, wenn Sie mit ihr sprechen wollen.«
    Das Haus war geschmackvoll und teuer eingerichtet, doch es strahlte, anders als die beiden Nachbarhäuser, eine Wärme aus, in der man sich sofort wohlfühlte. Frau Hauptmann führte sie ins Wohnzimmer, wo sie auch Annalena antrafen, die mit zwei Barbiepuppen und einer ganzen Kiste voller Kleidungsstücke spielte.
    Das Kind grüßte höflich und vertiefte sich dann wieder in ihre schwierigen Modeentscheidungen, während Sabine ihrer Mutter Fragen stellte. Zwar beantwortete Frau Hauptmann alle spontan und mit offenem Blick, doch weiterhelfen konnte sie ihnen nicht.
    »Nein, ich glaube, außer Herrn und Frau Reißenberger wohnt – seit ihr Sohn ausgezogen ist – niemand in ihrem Haus«, sagte sie gerade, als das Kind den Kopf hob.
    »Doch, die Yulia wohnt noch dort«, sagte das Mädchen bestimmt.
    Sabine hockte sich zu Annalena auf den Boden. »Die Yulia? Wer ist das? Eine Freundin von dir?«
    Das Mädchen hob die Schultern. »Ich weiß nicht.«
    »Ist sie so alt wie du?«
    Annalena lachte. »Nein, sie ist schon viel älter. Eine Frau, wie Mama.«
    »Wie sieht Yulia denn aus?«
    Das Kind überlegte. »Sie ist so groß wie Mama und hat auch lange braune Haare, und sie winkt mir immer. Ich kann sie von meinem Kinderzimmer aus sehen, und wenn sie am Fenster ist, dann winke ich, und sie winkt zurück. Ich habe ihr immer meine Spielsachen gezeigt, dann hat sie gelacht. Aber meistens ist sie traurig und weint.«
    Frau Hauptmann starrte ihre Tochter an. »Ich verstehe das nicht. Ich habe diese Yulia nie gesehen.«
    »Woher weißt du denn, dass sie Yulia heißt?«, bohrte Sabine nach.
    »Ich bin einmal durch die Büsche gekrochen, weil ich meinen Ball gesucht habe, und da hat sie Wäsche aufgehängt. Ich dachte erst, sie sei böse, weil sie so geguckt hat, doch dann ist sie zu mir gekommen und hat mir gesagt, dass sie Yulia heißt. Sie hat auch noch andere Sachen gesagt, aber das habe ich nicht verstanden, weil das in einer ganz komischen Sprache war.«
    »Ist das die Frau, die ermordet wurde?«, fragte Frau Hauptmann leise.
    »Das können wir nur vermuten. Noch haben wir sie nicht identifiziert«, gab Sabine ebenso leise zurück, während sich Annalena wieder mit ihren Barbies beschäftigte.
    »Ich hatte keine Ahnung«, sagte Frau Hauptmann und wirkte geschockt. »Warum habe ich sie nie gesehen?«
    »Vielleicht, weil sie von Ihnen nicht gesehen werden sollte? Oder weil wir uns den ganzen Tag über mit so vielen wichtigen Dingen beschäftigen, dass uns so manches entgeht?«
    »Ja, vielleicht«, sagte Frau Hauptmann, und es schwang Bedauern in ihrer Stimme mit.
    Mehr erfuhren sie nicht, doch nun hatten sie zumindest einen ersten Hinweis, der ihnen im Verhör von Nutzen sein würde. Yulia. Die traurige Yulia, die in der Dachkammer gehaust und im Garten Wäsche aufgehängt hatte. Ja, danach sollten sie die Herrschaften fragen. Sabine wurde es bei dem Gedanken ein wenig mulmig, dass bei ihrem nächsten Gespräch sicher ihr Anwalt zugegen sein würde. Jens Thorne, ihr verehrter Exmann. Na, das konnte heiter werden. Vielleicht sollte sie das Verhör lieber den Kollegen überlassen? Sie ahnte, dass ihre Anwesenheit der Sache nicht gerade förderlich sein würde. Vielleicht wäre es besser, das Verhör von der anderen Seite des Spiegels aus zu beobachten. Sonst könnte es womöglich passieren, dass sie und der Anwalt sich gegenseitig an die Kehle gingen. Das wäre nicht das erste Mal, dachte sie frustriert.

Kapitel 10
    Fjodora
    »Wie ist es gelaufen?« Tariqs Frau schloss auf sein Klopfzeichen hin die Tür auf und ließ ihn eintreten. Melanie Schmitz war um die vierzig, mittelgroß, mit dem typisch farblosen Haar, weder richtig blond noch braun, das sie zu einem Zopf

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