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Engel der Verdammten (German Edition)

Engel der Verdammten (German Edition)

Titel: Engel der Verdammten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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zusammengebunden trug. Melanie hatte sich kaum geschminkt und war wie immer in Jeans und Pullover gekleidet. Sie war eher unauffällig zu nennen, doch Tariq war das egal. Sie hatte andere Qualitäten. Zuallererst war Melanie Deutsche, und er hatte durch seine Ehe mit ihr innerhalb von nur drei Jahren einen deutschen Pass ergattert. Zum Zweiten verstand sie etwas vom Geschäft, hatte ein gutes Auge für Qualität, und er konnte sich darauf verlassen, dass hier im Haus alles gut lief, wenn er – wie so oft – anderweitig beschäftigt war.
    Es war ein kleines Netzwerk, ein Familienunternehmen. Er wurde von seinen beiden Brüdern unterstützt, von denen der eine in Istanbul lebte und der andere zwischen Moskau und den Balkanstaaten umherreiste, natürlich ständig im Kontakt mit den Verwandten, die in Albanien geblieben waren und die ihnen mit ihren »sicheren Häusern« – wo man die Ware in Ruhe zwischenlagern, vorbereiten oder austauschen konnte – wertvolle Dienste erwiesen.
    »Wie war es?«, fragte Melanie noch einmal.
    Tariq hob die Schultern und folgte ihr in die Küche, wo sie ihm einen starken Mokka aufbrühte.
    »Keine Probleme. Warum auch? Mirona hat in den vergangenen sechs Jahren nie Probleme gemacht. Sie ist fast jede Nacht für uns gelaufen und hat uns gutes Geld gebracht. Und jetzt, wo sie verbraucht ist und kein Freier mehr anständig für sie zahlen will, hat sie uns zum Abschluss noch einmal dreitausend eingebracht, was will man mehr?«
    Er zog den Stapel Hunderter aus der Tasche, die Herr Diemann ihm gegeben hatte.
    Melanie strich über das Geldbündel. »Ja, das war ein gutes Geschäft. Sie hat nie versucht, uns zu hintergehen oder wegzulaufen, und wenn die Diemanns nichts falsch machen, wird das auch so bleiben.«
    Tariq nickte und nippte an dem heißen, starken Gebräu, das nach Orient schmeckte. Nicht wie diese Brühe, die man in Deutschland als Kaffee bezeichnete.
    »Du siehst, es ist, wie ich stets sage: Alles hängt von der richtigen Vorbereitung ab! Du musst dir die Richtigen aussuchen und sie entsprechend vorbereiten, dann läuft alles ohne Probleme.«
    Melanie wusste genau, wovon er sprach.
    »Es war ein genialer Einfall«, sagte sie. »Du hattest den richtigen Riecher.«
    Tariq nickte. »Jeder hat dasselbe Problem mit seinen Nutten. Die Kunden wollen junges, unverbrauchtes Fleisch und immer wieder was Neues. Klar schickt man die Mädchen zwischen den verschiedenen Bordellen oder Wohnungen hin und her, damit sie nirgends zu lange bleiben, oder tauscht sie irgendwann aus, doch das löst nicht das Hauptproblem.«
    »Sie werden alt«, ergänzte seine Frau. »Und bald will keiner mehr einen ordentlichen Preis für sie bezahlen.«
    »Und dann? Wohin mit ihnen? Manche werden weggeschickt, manche hauen ab und schlagen sich in ihre Heimat durch, andere finden einen Trottel, der sie heiratet.«
    »Und du hast eine Möglichkeit gefunden, sie auf elegante Weise loszuwerden und zum Abschluss noch einmal Geld mit ihnen zu verdienen!«, frohlockte seine Frau.
    »Ja, ich hätte es selbst nicht geglaubt«, gab Tariq mit Staunen in der Stimme zu, »wie schnell sich ein wohlanständiger Bürger daran gewöhnt, einen Sklaven zu besitzen, mit dem er einfach alles machen kann! Und wie wenig die Umgebung daran interessiert ist, das Offensichtliche zu sehen. Was es nicht geben darf, das gibt es nicht, denn wenn man sich einmischt, bedeutet das nur Ärger.«
    Melanie nickte. »Ja, auf die Gleichgültigkeit der Menschen ist Verlass. Vielleicht nur darauf«, sagte sie, und ihre Stimme klang bitter.
    Peter von Borgo erwachte in seinem Sarg. Die Sonne war gerade untergegangen, die letzten Strahlen erloschen. Er konnte es spüren. Eine neue Nacht mit all ihren Verlockungen und süßen Versprechen stieg herauf. Er klappte den Deckel auf und überließ sich für einen Moment der Vorfreude. Ja, er freute sich auf diese Nacht, wie auf die Nächte zuvor. Das war nicht immer so gewesen. Jahrzehnte, nein, Jahrhunderte hatte er sich der Verzweiflung und Langeweile ergeben. War wie ein räudiger Wolf durch die Nacht gestrichen, um sich seine Opfer zu reißen, teilnahmslos, lustlos, ruhelos.
    Und nun? Seine Existenz hatte sich gewandelt. War von ihr verwandelt worden. Von ihrem Duft, ihrem Blut, aber auch ihrem Eigensinn, der ihn manches Mal fast in den Wahnsinn getrieben hätte. Warum nur ließ er sich das gefallen? Warum ließ er sich locken und wieder wegstoßen? Warum gab er sich der Hoffnung hin und zügelte seine Triebe

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