Engel der Verdammten
Waffen der Eval-Brüder. Hart und sehr spitz.
Der Mann in der Limousine war sehr stolz auf seinen Wagen, stolz auch auf die Wachen, die ihn begleiteten, stolz auf seinen edlen Kaschmirmantel, auf den gepflegten Schnitt seines welligen Haares.
Ich rückte näher, damit ich ihn durch das getönte Glas der Scheiben sehen konnte: Gregory Belkin, Esthers Stiefvater, der Gründer des ›Tempels vom Geiste Gottes‹ und steinreich.
Reicher, als es sich je ein König aus vergangenen Zeiten hätte erträumen können, denn der hatte keinen fliegenden Teppich besessen.
Der Wagen war natürlich ein Mercedes-Benz, ein ziemlich ausgefallenes Modell, denn die eigentliche Limousine war durch drei zusätzlich eingefügte, gepanzerte Teile verlängert worden, dadurch war sie doppelt so lang wie jeder andere Wagen auf der Straße; schwarz schimmernder Lack, bewusst auffallend, als sei er aus Obsidian gemeißelt und per Hand auf Hochglanz poliert.
Der Chauffeur fuhr im Schrittempo an einigen Häuserblocks vorbei, ehe er auf ein Handzeichen Belkins hin anhielt.
Dann kletterte dieser stolze Hohepriester oder Prophet, oder für was er selbst sich auch immer hielt, allein aus dem Wagen und trat ins Licht der Straßenlampen, als wolle er deren Strahlen absichtlich auf sein jugendliches, glatt rasiertes Gesicht lenken und auf sein Haar, das wie bei einem römischen Soldaten im Nacken kurz geschnitten war, sich aber dennoch leicht kräuselte.
Während seine Bodyguards vor und hinter ihm die Nacht mit ihren Blicken zu durchdringen suchten, ging er getrennt von ihnen die schäbigen, verschmutzten Häuserblocks entlang, vorbei an trostlosen, mit Brettern vernagelten Läden, vorbei an Ladenschildern mit hebräischen und englischen Schriftzeichen, bis er an seinem Ziel ankam. Die Regentropfen lagen wie Juwelen auf den Schultern seines langen Mantels.
Nun gut! War er der Gebieter? Ich hätte es jedoch gewusst, wenn er es war.
Ich mochte ihn nicht. Ich hatte ihn in meinem Halbschlaf gesehen, als er um Esther weinte und von Verschwörungen sprach, und schon da hatte ich ihn nicht gemocht.
Wieso war ich ihm so nahe, dass ich sein Gesicht hätte berühren können? Ansehnlich war er, das konnte keiner bestreiten, er stand in der Blüte seines Lebens, hielt die Schultern gerade und war groß wie ein Nordländer, doch dunkler, mit kohl-schwarzen Augen.
Bist du mein Gebieter?
Mastermind, diesen schnoddrigen Ausdruck hatten die zyni-schen Reporter für den Milliardär Gregory Belkin, das Genie, den geistigen Führer der ›Tempelbrüder‹ geprägt. Im Moment ließ er in seinem Kopf die letzten Reden Revue passieren, die er vor den bronzenen Türen seines Tempels in Manhattan gehalten hatte: ›Meine größte Furcht ist, dass diese Männer gar keine Diebe waren, dass es ihnen gar nicht um das Collier ging. Es ging ihnen um unsere Gemeinschaft, die wollten sie treffen. Sie sind gottlos und schlecht.‹
Collier?, dachte ich. Ich hatte kein Collier gesehen.
Auch die Wächter, die Gregory von den nahebei stehenden Wagen aus im Auge behielten, waren seine ›Anhänger‹. Eine nette Kirche war das! Dem Frieden und dem Guten geweiht, trugen ihre Anhänger dennoch Schießeisen und Messer mit sich herum, und ihr Prophet war ebenfalls bewaffnet! Einen kleinen Revolver, blitzend wie sein Auto, hatte er tief in der linken Tasche seines Mantels verborgen. Er benahm sich wie ein König, der es gewohnt war, jede Geste vor einem großen Publikum auszuführen, doch dass ich ihn beobachtete, merkte er nicht. Er fühlte nicht, dass ein Geist über seine Schulter blickte wie ein persönlicher Gott.
Nun, ich war nicht der Gott dieses Mannes. Ich war auch nicht sein Diener. Ich war Beobachter, und ich musste herausfinden, warum.
Vor einem Ziegelhaus mit vielen Fenstern, die alle verhängt waren, blieb er stehen. Mit dem spitzen Giebeldach war es wie Tausende, vielleicht Millionen anderer Häuser hier in dieser Gegend. Die Größenordnungen dieser Zeit und dieser Stadt machten mir wahrhaftig noch zu schaffen.
Ich war fasziniert. Die Regentropfen tupften ein hübsches Muster auf seine edlen schwarzen Lederschuhe. Warum brachte er uns hierher?
Er ging eine Stufe hinab und eine kleine Gasse entlang. Vor ihm leuchtete ein Licht. Er hatte einen Schlüssel für das kleine Tor, dann einen für eine zwischen zwei beleuchteten Fenstern liegende Tür in der unteren Etage des Hauses.
Wir gingen beide hinein, er und ich. Wärme hüllte mich ein!
Über uns eine
Weitere Kostenlose Bücher