Engel der Verdammten
indem ich ein paar gezielte Fragen gestellt hätte.
Ich hätte ein paar gezielte Informationen über Gregory Belkin und den ›Tempel vom Geiste Gottes‹ herauskriegen können.
Darüber hätten die Leute auf der Straße bestimmt mit mir gesprochen. Ich sah wie ein normaler Mann aus. Ich hätte mir in ein paar Lokalen das Fernsehprogramm ansehen können. Ich hätte die Nacht mit fruchtbarem, zielgerichtetem Lernen verbringen können, anstatt mich von dem alten Rabbi so weit treiben zu lassen, dass ich mein Ich vergaß und abermals ins Nichts driftete.
Wie auch immer, als der Rabbi mich zu vernichten suchte, hätte ich keine Zeit damit verschwenden sollen, nach ›meinem Gott‹ zu rufen.
Das war für den Hüter der Gebeine undenkbar gewesen -
meinen Gott anzurufen -, denn während all dieser Jahre bösartiger, übersinnlicher Dienste war mein Gott nie an meiner Seite gewesen. Ich glaube, der Hüter der Gebeine, der jenen Samuel verfluchte, konnte sich an seinen Gott nicht einmal mehr erinnern, denn er erinnerte sich auch nicht daran, einmal menschlich gewesen zu sein, was ich jetzt weiß. Mein Gott hatte damals zu mir gehört, als ich ein Mensch gewesen war, ein junger Mann, lebendig, in der Stadt Babylon, in der ich auch gestorben war.
Und tatsächlich - obwohl ich es hasse, das zugeben zu müssen -, wenn ich Samuel ins Spiel bringe, kann ich mich nur erinnern, wie stolz ich war, sein Dschinn zu sein, ein Geist mit bemerkenswerten Kräften, wie sie die schlichten Seelen der Toten nie erlangen. Ich war die machtvolle Demonstration uralter Magie, ausgeübt von Menschen, die wussten, wie man jene einsetzt.
Nichts, was das menschliche Leben betraf, spiegelte sich in meinem Gedächtnis. Ich konnte mich nicht einmal an die Gebieter vor Samuel erinnern, obwohl es mit Sicherheit welche gegeben hatte. Bis zurück zu den Zeiten Babylons musste es eine ganze Reihe solcher Magier gegeben haben, allen hatte ich gedient, alle hatte ich überlebt.
Es konnte nicht anders gewesen sein, denn es stand fest, der Hüter der Gebeine wurde von Magier zu Magier weitergegeben.
Und irgendwann, wie der Rabbi gnädigerweise für Gregory er-klärte, hatte der Hüter der Gebeine gegen seinen ihm durch ein Ritual auferlegten Zweck aufbegehrt. Sogar schon während dieser rituellen Handlung hatte er sich gegen den aufgebäumt, der ihn ins Dasein zurückrief. Und das hatte der Hüter auch später noch getan.
Doch was war alldem vorausgegangen? War ich nicht auch einmal ein Mensch gewesen? Welche Erwartungen setzten meine Erinnerungen in mich? Welche Erwartungen setzte Esther in mich? Warum war es so verführerisch, Augen und Ohren zu haben, Schmerz zu fühlen, wieder zu hassen und das Verlangen zu spüren, wieder töten zu wollen? Und ich spürte ein großes Verlangen danach.
Ich wollte den Rabbi töten, doch dann wieder konnte ich es nicht. Ich hielt ihn für einen guten Menschen, vielleicht für einen Menschen ohne Fehl, sah man davon ab, dass es ihm an Güte mangelte, deshalb konnte ich es nicht. Man kann nicht für alles Böse andere verantwortlich machen. Ich brachte es nicht fertig, ihn zu töten. Und ich war froh, dass ich es nicht getan hatte.
Sicher kannst du dir vorstellen, dass ich mir selbst ein Rätsel war. Gefangen zwischen Himmel und Hölle und ohne eine Ahnung, warum ich hier war.
Aber Gott hatte mich nicht gesandt, nein, ER nicht, ich hatte auch keinen Gott, und als der Rabbi mich bannte, als er seine recht beträchtliche Kraft dazu benutzte, mich verschwinden zu lassen und meinen Verstand zu umnebeln, damit ich mich ihm nicht widersetzen konnte, hatte er das im Namen Gottes getan, und ich hatte es nicht gewagt, diesen selben Gott anzurufen, den Gott meiner Väter, den Herrn der Heerscharen, den Gott im Himmel, der vor allen anderen Göttern kommt.
Nein, in diesem Augenblick der Schwäche hatte Asrael, Mensch und Geist in einem, seinen alten heidnischen Gott angerufen, einen Gott aus seiner Zeit als Mensch, einen Gott, den er geliebt hatte.
Als der Rabbi mich verfluchte, hatte ich ganz absichtlich das alte Chaldäisch gewählt, um nach Marduk zu rufen. Ich wollte, dass der Rabbi diese archaische Sprache vernahm. Denn wie schon so oft vorher wurde ich von Zorn verzehrt. Ich wusste, dass mein Gott mir nicht helfen würde.
Irgendwie hatten sich unsere Wege, meine und die meines Gottes, getrennt, muss ich mich nun an alles erinnern? Muss ich die Geschichte von Anfang an kennen?
Nun, wenn ich versuchte, das Ganze
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