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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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zusammenzufassen, es zu verstehen, herauszufinden, wer ich einst war und wie ich zum Hüter der Gebeine geworden war, dann nur zu einem Zweck: Damit ich endlich sterben könnte. Wirklich und wahrhaftig sterben. Ich wollte nicht einfach zurückfallen in die Schwärze, um für ein weiteres schauriges Drama aufs Neue heraufbeschworen zu werden, und sicherlich wollte ich nicht als erdgebundener Geist mit den anderen verlorenen Seelen, die sich, vor sich hin murmelnd und stammelnd und kriechend, an ihre Sterblichkeit klammerten, in der Falle stecken. Sondern ich wollte sterben. Damit mir endlich widerfuhr, was mir bisher durch einen Trick, an den ich keine Erinnerung hatte, versagt worden war.
    ›Asrael, ich warne dich.‹ Wer hatte das gesagt, vor Tausenden von Jahren? Ein Trugbild, ein Phantom? Wer war der Mann, den ich undeutlich an diesem reich geschnitzten Tisch sitzen sah, unaufhörlich weinend? Wer war dieser König? Es hatte da einen großen König gegeben ...
    Doch mein Zorn und meine wilde Wut hatten mich geschwächt und mich in einen derartigen Schockzustand versetzt, dass der Rabbi mich verflüchtigen lassen konnte. Mein Verstand war ebenso davongeflogen wie mein Körper. Meine Fähigkeit, vernünftig zu denken, war verloren gegangen, und so stieg ich auf in die Nacht, gestaltlos trieb ich abermals umher zwischen den elektronischen Stimmen und taumelte oberhalb dieses Magneten, der uns alle hält - die sich immerdar drehende Welt.
    Doch ich lasse nie los. Ich lasse nie wirklich los.

    Als ich zu mir kam, als ich meine Kräfte sammelte, als ich mein Augenmerk auf ein Ziel richtete, überdachte ich die verschiedenen Aspekte meiner jetzigen Lage - dass ich sehr gut keinen Gebieter haben könnte, dass ich Esther nicht enttäuschen würde, dass ich stärker war als je zuvor -, und ich war entschlossen, dieses Mal härter darum zu kämpfen, mich von den beiden Männern - dem Rabbi und seinem Enkel Gregory -
    zu befreien. Ich war fest entschlossen, dass ich, wenn ich schon nicht sterben konnte, wenigstens von ihnen unabhängig werden würde. Wer weiß, was einen Geist, ob er in einem menschlichen Körper ist oder nicht, nährt?
    Die Menschen in der heutigen Zeit, die sich über unsere alten Bräuche lustig gemacht hätten, glauben an absolut groteske Erklärungen für manche Dinge - man nehme als Beispiel, wie ein Hagelkorn zustande kommt: Ein Staubkorn in der oberen Atmosphäre sinkt ab, steigt auf, sinkt wieder, Eis kristallisiert sich darum, es sinkt und steigt, nimmt dabei an Umfang zu, bis der perfekte Augenblick gekommen ist, an dem das Hagelkorn diesen Kreislauf durchbricht und zur Erde fällt, nur um nach alldem, nach diesem ganzen erstaunlichen Prozess, zu nichts zu zerfließen. Staub zu Staub.
    Eines Tages werden diese Leute - diese Leute von heute mit dem cleveren Verstand - auch alles über Geister wissen, so, wie sie heute über Gene und Neutrinos und andere Dinge Bescheid wissen, die man nicht sehen kann. Ärzte werden am Krankenbett den Geist des Sterbenden aufsteigen sehen, wie ich es bei Esther sah. Man wird keinen Magier mehr brauchen, um einen Geist gen Himmel zu treiben. Es wird Menschen geben, die klug genug sind, auch etwas wie mich zu vernichten oder auszulöschen.
    Schreibe das auf, Jonathan.
    Die Wissenschaftler deines Zeitalters haben das Gen einer Fruchtfliege isoliert. Diese Fliege hat keine Augen, aber wenn man einer anderen der gleichen Art dieses Gen injiziert - Gott möge dieser winzigen Kreatur gnädig sein -, weißt du, dass diese Fruchtfliege dann an ihrem ganzen Körper Augen produziert? Selbst auf den Flügeln und den Gelenken?
    Muss man diese Wissenschaftler nicht lieben? Ist man da nicht gerührt und empfindet tiefen Respekt für sie?
    Du kannst mir glauben, als ich am nächsten Abend wieder zu mir selbst fand, optimistisch und hassenswert ruhig war und wieder Gestalt annahm, wenn auch nur durchscheinend, hatte ich nicht die Absicht, Hilfe bei Wissenschaftlern zu suchen, genauso wenig wie bei Hexenmeistern, um endgültig den Tod zu finden. Nein. Ich war fertig mit all den Praktikern des Unsichtbaren. Ich war durch mit allem, außer mit der Suche nach Gerechtigkeit für ein Mädchen, das ich nie gekannt hatte. Und ich würde eine Möglichkeit finden zu sterben, selbst wenn das hieß, dass ich mich an alles erinnern musste, an jeden noch so kleinen Augenblick, auch daran, was ich in meinem Todeskampf durchgemacht hatte, damals, als der Tod noch eine Gewissheit hätte sein sollen,

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