Engel der Verdammten
den Armen sind, in eurer Welt gibt es Männer, die das Böse fürchten und das Gute wollen.‹
›Wir haben den Wahnsinn. Schau genauer hin. Wahnsinn!‹
›Was bedeutet dir das? Ist das die Mission deiner Kirche, die ganze Welt unter eure Kontrolle zu bringen? Ist es das, was dich antreibt, wie der alte Mann es ausgedrückt hat? Du willst die Macht, Köpfe rollen zu lassen? Das willst du?‹
›Ich will Veränderung‹, sagte er. ›Ich will alles verändern. Betrachte doch die alten Eroberer. Sieh dir an, was sie vollbracht haben. Benutze all deine übernatürlichen Gaben.‹
›Keine Sorge. Sprich weiter!‹
›Wer hat denn tatsächlich die größte Veränderung der Welt in Gang gebracht? Wer hat sie stärker verändert als je einer vor ihm?‹
Ich antwortete nicht.
›Alexander‹, sagte er. ›Alexander der Große war das! Er hatte den Mut, die Reiche zu zerschlagen, die ihm dabei im Weg waren. Er hatte den Mut, Asien und Griechenland mit Gewalt zu vereinigen. Er wagte es, den Gordischen Knoten mit dem Schwert zu lösen!‹
Ich überlegte. Vor meinen Augen erstanden die griechischen Städte entlang der kleinasiatischen Küste, lange nachdem Alexander in Babylonien gestorben war. Ich sah die Welt aus gebührendem Abstand, sah sie geteilt in Felder, hell und dunkel.
›Ja, Alexander veränderte eure Welt, die Welt des Westens.
Ich sehe, was du meinst. Alexander ist der Markstein für den Aufstieg der westlichen Welt. Aber der Westen ist nicht die ganze Welt, Gregory.‹
›Doch, das ist er. Denn die westliche Welt, die durch Alexander entstand, hat auch Asien verändert. Kein Teil der Erde ist davon ausgenommen. Und heutzutage gibt es keinen großen Geist mehr, der bereit ist, die Welt aufs Neue zu verändern, wie er es damals getan hat ... wie ich es tun würde.‹
Er rückte nahe an mich heran, und mit einem plötzlichen Stoß beider Hände schubste er mich. Ich rührte mich nicht vom Fleck. Es war, als habe ein Kind einem Mann einen Stoß versetzt. Er war erfreut, aber auch ernüchtert und trat einen Schritt zurück. Ich stieß ihn meinerseits mit einer Hand, so stark, dass er stolperte und schließlich fiel. Ungerührt stand er auf, er wollte sich einfach nichts anmerken lassen.
Er wurde auch nicht wütend. Er war einen Schritt zurückge-worfen worden. Nun stand er wieder mit beiden Füßen fest auf dem Boden und wartete ab.
Dann fragte er: ›Warum prüfst du mich? Ich habe nicht gesagt, dass ich ein Gott oder ein Engel bin. Aber warum willst du nicht einsehen, dass du mir gesandt wurdest? Du wurdest mir gesandt in dem Augenblick, da die Welt vor ihrer Umbildung steht, dein Kommen war ein Zeichen! Wie dereinst König Kyros, dessen Erscheinen die Wanderung unseres Volkes zu-rück nach Jerusalem einleitete!‹
Kyros, der Perser. Meine ganze Gestalt schien mit einem Mal zu schmerzen, mein Verstand schmerzte. Ich kämpfte heftig um Ruhe.
›Sprich nicht davon!‹, flüsterte ich. Mein Verstand blendete sich aus vor der Wut, die in mir kochte. Du kannst es dir sicher vorstellen. Ich war außer mir.
›Rede meinetwegen von Alexander. Aber rede mir nicht von Kyros. Du weißt nichts über jene Zeit!‹
›Du denn?‹
›Ich will wissen, warum ich heute hier bin‹, sprach ich weiter, krampfhaft um so etwas wie Fassung ringend. ›Ich halte nichts von deinen glühenden Vorhersagen und Ankündigungen. Ich will wissen, ob du Esther getötet hast? Hast du diese Männer ausgeschickt?‹
Gregory schien innerlich zerrissen. Er überlegte. Doch konnte man nichts aus seiner Miene ablesen. ›Ich wollte ihren Tod nicht‹, sagte er. ›Ich habe sie geliebt. Sie musste für die bessere Sache sterben.‹
Nun, das war eine Lüge, eine durchschaubare, technisch notwendige Lüge.
›Was würdest du denn tun, wenn ich dir sagte, ja, ich habe Esther getötet? Für die Welt musste sie sterben, für die neue Welt, die sich aus der Asche dieser sterbenden Welt erheben wird - der Welt, die sich selbst vernichtet durch unbedeutende Menschen, unbedeutende Träume, durch unbedeutende Herrscher.‹
›Ich habe geschworen, ihren Tod zu rächen‹, sagte ich. ›Und nun weiß ich, dass du schuldig bist. Ich werde dich töten. Aber nicht sofort. Sondern wann immer ich es will.‹
Er lachte. ›Du mich töten? Du glaubst, das kannst du?‹
›Aber sicher‹, sagte ich, ›erinnere dich an das, was der Rabbi gesagt hat. Ich habe schon öfter die Meister, die mich riefen, getötet.‹
›Aber ich habe dich nicht gerufen,
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