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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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versteh doch, es hat mit dem Plan zu tun, die Welt rief dich! Die Vorsehung! Du wurdest mir gesandt, weil ich dich brauche, deine Hilfe brauche, und du wirst tun, was ich will.‹
    Die Welt hat mich gerufen. Das waren genau die Worte, die ich mir selbst schon in verzweifelter Hoffnung gesagt hatte.
    Aber musste es nun unbedingt Gregorys Welt sein?
    ›Es ist ganz klar, dass du mir helfen musst‹, hörte ich ihn sagen. ›Ich muss nicht notwendigerweise dein Gebieter sein.
    Aber ich brauche dich! Ich brauche dich als Zeugen, und ich brauche deine Einsicht. Oh, es ist wirklich mehr als bemerkenswert, dass du erscheinst, um Esther sterben zu sehen, und dass du diese drei getötet hast. Du sagtest doch, dass du sie umgebracht hast!‹
    ›Du hast Esther geliebt, nicht wahr?‹, fragte ich.
    ›O ja, sehr sogar. Aber Esther hatte keine Visionen. Auch Rachel nicht. Und darum musstest du kommen. Das ist der Grund, warum du meinem Volk, meinem Großvater übergeben wurdest, sieh das doch ein. Es war so bestimmt, dass du mir erschienst in all deiner Größe. Du bist der Zeuge. Du bist
    »Der, der das alles verstehen wird«.‹
    Seine Worte verwirrten mich ein wenig. Pläne, Projekte, Programme. ›Aber was soll ich denn bezeugen?‹, fragte ich ihn.
    ›Du hast deine Kirche. Und was hatte Esther damit zu tun?‹
    Er dachte eine Weile nach und sagte dann mit unschuldsvoller Naivität: ›Natürlich bist du für mich bestimmt. Da wundert es mich nicht, dass du die anderen Gebieter erschlagen hast.‹ Er lachte.
    ›Asrael, du bist meiner wert, sieh es ein. Das ist ja so überaus wunderbar, du bist meiner wert, bist meiner Zeit, meines glänzenden Geistes, meiner Anstrengungen wert. Wir sind auf gleicher Ebene. Ich stelle mir vor, du bist ein Fürst unter den Geistern. Nein, ich weiß es.‹
    Er streckte die Hand aus und strich mir übers Haar.
    ›Ich bin mir dessen nicht so sicher.‹
    ›Hmm, doch, ein Fürst, und du wurdest mir gesandt. All diese alten Männer, die haben dich gehütet, haben dich von Generation zu Generation weitergereicht. Und das alles nur für mich.‹
    Er schien von seinen eigenen Gefühlen zu Tränen gerührt, und seine Züge waren weich und strahlend und zuversichtlich.
    ›Du hast den Hochmut und die Entschlossenheit eines Königs, Gregory.‹
    ›Natürlich. Was sagt der Gebieter denn üblicherweise zu dir, Geist? Erinnerst du dich nicht?‹
    ›Ich erinnere mich an nichts‹, sagte ich unerbittlich. Natürlich log ich.
    ›Wenn ich andere Möglichkeiten sähe, bliebe ich nicht bei dir.
    Ich bleibe nur, weil ich hoffe, ein paar Erinnerungs- und Wis-senslücken aufzufüllen. Ich sollte dich eigentlich jetzt töten.
    Das hätte dann vielleicht den gleichen Effekt wie damals, als der dir so teure Alexander den gordischen Knoten zerschlug.‹
    ›Nein, das nicht‹, sagte er gelassen. ›So kann das nicht gemeint sein. Wenn Gott wollte, dass ich sterbe, hätte das auch jemand anders tun können. Du machst dir die Dimension meiner Träume nicht klar. Alexander hätte mich verstanden.‹
    ›Ich bin nicht dein Eigentum‹, sagte ich. ›So viel weiß ich jedenfalls. Ja, ich möchte das Ausmaß deiner Träume kennen lernen, ja. Ich werde dich nicht töten, ehe ich nicht verstanden habe, warum Esther dafür sterben musste. Aber ich gehöre dir nicht. Bin nicht für dich bestimmt. Nicht unbedingt bestimmt ...
    für irgendetwas.‹
    Irgendwo im Haus weinte Esthers Mutter wieder. Ich war mir sicher, dass ich das hörte. Ich neigte den Kopf.
    ›Tu, was ich sage.‹ Er fasste mich abermals an, umklammerte meinen Arm.
    Ich machte mich los; tat ihm ein bisschen weh dabei.
    Meine Kraft übertraf inzwischen meine kühnsten Erwartungen.
    Ich war ruhelos, ich wollte umhergehen, die Gegenstände in die Hand nehmen. Ich wollte diese samtenen Sofas berühren, wollte meine Hand über den Marmor gleiten lassen. Wollte einfach nur meine Hände betrachten. Ich war so sehr in der Gegenwart, dass ich nicht wusste, ob ich mich überhaupt auflösen konnte, selbst wenn ich es gewollt hätte.
    Es war merkwürdig, sich so stark zu fühlen und nicht zu wissen, ob die alten Tricks noch funktionierten. Was hatte es damit auf sich, schließlich hatte ich mich vor kurzem ja noch in Esther verwandelt. Ich war versucht...
    Aber nein, jetzt war nicht der Augenblick dafür.
    Ich warf einen bösen Blick auf die Gebeine. Dann griff ich nach dem zerbrechlichen Deckel und schloss die Truhe wieder. Da lagen auch noch die sumerischen

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