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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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entschloss er sich, dir zu sagen, was du über den Hüter der Gebeine wissen wolltest, und entschloss sich, mich an dich zu verkaufen.«
    Der Schmerz darüber traf ihn sichtlich. Ich dachte, er würde weinen. Er drehte sich auf dem Absatz um und lief ziellos im Zimmer umher.
    ›Er sah dich ...‹, flüsterte er. ›Er wusste, dass man den Geist heraufbeschwören konnte, und er gab mir die Gebeine.‹
    ›Er wusste, dass der Geist mit ihm in einem Raum war, und er verkaufte dir die Gebeine in der Hoffnung, dass ich zusammen mit den Knochen verschwinden würde. Ja, das hat er dir angetan. Ich weiß, das schmerzt, schmerzt unerträglich, wenn man sich klarmacht, dass einem so übel mitgespielt wird. Aber dass ein Zaddik, der einen Dämon sieht und weiß, dass der Dämon dich vernichten kann, ihn dir trotzdem übergibt.. .‹
    ›Okay, du hast es mir klar genug gemacht‹, sagte er erbittert.
    ›Der Alte verachtet mich also, hat mich schon verachtet, als ich ihm meine Fragen stellte. Bei »eins« knallte ich ihm meine Fragen an den Kopf, bei »zwei« war ich wieder draußen und bei »drei« tot und begraben für seine Gemeinde.‹
    Er zitterte am ganzen Körper. ›Er hat dich gesehen und übergab mir die Gebeine. Er hat dich gesehen!‹

    ›Das stimmt‹, bemerkte ich.
    Er beruhigte sich bemerkenswert schnell. Seine Miene zeigte erneut Zuversicht, und indem er seine Verletztheit und seinen Hass ganz einfach beiseite schob, was ich ihm eigentlich hätte nachmachen müssen, versank er in tiefes Nachdenken.
    ›Ich brauchte ein paar simple Fakten‹, sagte er. Er senkte die Stimme und strahlte vor Freude.
    ›Sag, wann hast du mich oder jemanden, der mit mir in Verbindung steht, das erste Mal gesehen?‹
    ›Ich habe es dir schon gesagt. Ich erwachte zum Leben, als die Eval-Brüder unterwegs waren, das reiche Mädchen umzubringen. Ehe ich wusste, was geschah, hatten sie sie schon mit ihren Eispickeln durchbohrt. Ich verfolgte die drei und töte-te sie. Esther sah mich, als sie im Sterben lag, und nannte meinen Namen. Und es war, wie ich es dir gesagt habe: Ihre Seele fuhr auf mitten ins Licht. Als Nächstes sah ich dich im Zimmer des Rabbi, nein - auf deinem Weg dahin, als du aus dem Wagen stiegst, umringt von den Leibwächtern. Ich bin dir in das Haus gefolgt, auch in der Nacht darauf. Und hier sind wir nun. Den Rest habe ich dir schon erklärt. Der alte Rabbi konnte mich sehen, denn ich stand in irdischer Gestalt da, wie jetzt, und er machte mit dir diesen Handel ab.‹
    ›Du hast mit ihm gesprochen?‹, fragte er, ohne mich anzusehen, als könne er sich diesem Schmerz nur schwer stellen.
    ›Der Rabbi verfluchte mich. Er sagte, er wolle keinen Umgang mit Dämonen. Er weigerte sich, mir zu helfen. Er zeigte keine Gnade, und er wollte auch meine Fragen nicht beantworten.
    Er wollte keine Notiz von mir nehmen.‹
    Ich verschwieg, dass der alte Mann es bei der ersten Begegnung fertig gebracht hatte, mich verschwinden zu lassen, und dass ich beim zweiten Mal freiwillig gegangen war.
    Zum ersten Mal veränderte sich sein Gesichtsausdruck wirklich. Ich meine, seine Miene war weit von den Gefühlen und Entschlüssen entfernt, die er kurz zuvor noch gezeigt hatte.
    Irgendetwas war von ihm abgefallen. Nicht sein Temperament, nicht sein Frohlocken, nicht seine Kraft. Ganz bestimmt nicht sein Draufgängertum. Doch eine gewisse Grausamkeit zeigte sich mit einem Mal, die mich an meine Gefühle erinnerte, als ich den hölzernen Griff des Eispickels umklammert gehalten und die Waffe in die nachgebenden Weichteile Billy Joels gestoßen hatte, direkt unterhalb von dessen Rippen.
    Er drehte sich um und entfernte sich ein paar Schritte von mir, und auch jetzt spürte ich keine Reaktion. Ich beobachtete ihn, lauschte dabei auf mein Blut, das sich seinen Weg durch die Venen bahnte, spürte, wie sich die Haut über meinen Wan-genknochen spannte, als ich mir ein kleines verstohlenes, nur für mich bestimmtes Lächeln gestattete.
    Jonathan, all diese Dinge waren nur eine Illusion, doch zeigten gerade die kleinsten Einzelheiten, wie gut diese Illusion war.
    Genauso gut wie jetzt, da ich vor dir sitze. Man braucht Kraft, große Kraft, um diese Illusion zu erzeugen, das weißt du. Und obwohl mir diese meine Kraft schon zur Gewohnheit geworden war, als ich zu dir kam, Jonathan, so war ich doch damals noch weit davon entfernt, mich an sie gewöhnt zu haben.
    Ja, dachte ich, von Wagemut ergriffen, ich bin von Gregory unabhängig, aber wie sieht

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