Engel der Verdammten
Nichts!‹
›Ich werde dir nicht dienen‹, sagte ich zu ihm. ›Ich werde nicht einmal hier bei dir bleiben.‹
Er hatte nur allzu Recht gehabt. Ich begann, Liebe für ihn zu fühlen. Doch da war etwas zutiefst Grauenerregendes in ihm, etwas wild Zerstörerisches, das ich noch in keinem anderen Menschen gefunden hatte.
Ich wandte ihm den Rücken zu. Ich brauchte diesen Ekel, den ich fühlte, nicht zu verstehen, und auch nicht die Wut. Er war mir ein Gräuel und das genügte. Es hatte nichts mit Vernunft zu tun, nur mit Schmerz und Zorn.
Ich schritt zu der Truhe hinüber, öffnete den Deckel und betrachtete den grinsenden, goldenen Schädel, der einst ich gewesen war und der mich auf irgendeine Art noch immer in Besitz hatte, wie eine Flasche ihren flüssigen Inhalt in Besitz hat. Ich hob die Truhe auf.
Er hastete mir nach, aber ehe er mich aufhalten konnte, hatte ich die Truhe mitsamt dem losen Deckel zur Feuerstelle getragen. Geräuschvoll schob ich sie auf den kleinen Scheiterhau-fen, wodurch sich aus dessen Aufbau einige Hölzer lösten.
Der Deckel fiel zur Seite.
Gregory stellte sich dicht neben mich und schaute mich forschend an und betrachtete dann die Truhe, und wir beide betrachteten uns gegenseitig, wie wir da nebeneinander standen.
›Du wagst nicht, das zu verbrennen.‹
›Doch, nur brauchte ich eine Flamme. Ich könnte einen Brand entfachen, aber dadurch könnte die Frau verletzt werden, und auch andere, die das nicht verdient haben.‹
›Das soll dich nicht daran hindern, mein kleiner Stümper.‹
Mein Herz pochte. Kerzen. Aber es gab keine brennenden Kerzen in diesem Raum. Dann klickte etwas. Licht zuckte vor meinen Augen. Er hielt ein kleines brennendes Stäbchen, ein Streichholz.
›Da, nimm das‹, sagte er. ›Wenn du dir so sicher bist.‹
Ich nahm das Hölzchen entgegen. Schützte die Flamme mit der Hand. ›Oh, wie ist das hübsch‹, murmelte ich, ›und so warm. Ich kann es spüren ...‹
›Wenn du dich nicht beeilst, geht es aus. Zünde das Feuer an.
Dort, das zerknüllte Papier. Die Bediensteten schichten das Holz immer so auf, dass es sofort hoch auflodert. Tu dir keinen Zwang an. Verbrenne die Gebeine.‹
›Weißt du, Gregory‹, sagte ich, ›ich kann mich einfach nicht zurückhalten.‹ Ich beugte mich nieder und hielt die ersterben-de Flamme an den Rand des Papiers; sofort fraßen sich kleine Flämmchen an dessen Kante entlang, flackerten auf und fielen wieder in sich zusammen. Kleine glimmende Fetzchen flogen im Kaminschacht empor. Dann fingen die dünnen Holzstückchen knisternd Feuer, und Hitze schlug mir entgegen. Auflo-dernde Flammen schlossen sich um die Truhe, schwärzten ihr Gold, oh, Gott! Was für ein Anblick, nun fing der innen liegende Stoff Feuer. Einige Stellen des Deckels begannen sich ein-zurollen. Die Gebeine waren m den Flammen bereits nicht mehr zu sehen.
›Nein!‹, schrie Gregory ›Nein!‹
Seine Brust hob und senkte sich, er griff ins Feuer und zerrte Truhe und Deckel auf den Boden. Brennendes Papier fiel mit heraus. Wütend trat er die Flammen aus. Er hatte sich die Finger verbrannt.
Da stand er neben der Truhe und blies auf seine Finger. Das Skelett war herausgefallen und lag seltsam verdreht da. Die Knochen waren unversehrt geblieben. Leichter Rauch stieg von ihnen auf. Der Deckel war ziemlich verkohlt.
Gregory ließ sich auf die Knie fallen, zog ein weißes Tuch aus seiner Tasche und schlug damit die noch verbliebenen glim-menden Funken aus. Er schimpfte verärgert und voller Wut leise vor sich hin. Obwohl der Deckel der Truhe geschwärzt war, konnte ich die sumerischen Schriftzeichen noch erkennen.
Meine Gebeine, da lagen sie nun inmitten der Asche.
›Sei verdammt«, sagte Gregory.
Ich hatte ihn bisher noch nicht wirklich zornig gesehen. Dafür war er nun um so zorniger, zorniger, als ich es je bei jemandem gesehen hatte. Er tobte innerlich, heftiger als der Rabbi.
Wütend funkelte er mich an, warf dann einen Blick auf die Truhe, um sich zu vergewissern, dass sie nicht mehr glühte.
Nein, sie war nur leicht angesengt.
›Der Geruch stammt von Bitumen‹, erklärte ich.
›Ich weiß, wonach das riecht‹, sagte er. ›Und ich weiß, woher es kommt und wozu es gebraucht wurde.‹ Seine Stimme bebte. ›Hast du dir nun etwas bewiesen? Es ist dir gleich, ob die Gebeine verbrennen.‹
Er stand vom Boden auf und klopfte sich Asche von der Hose.
Asche verschmutzte auch den Fußboden. Das Feuer im Kamin brannte munter vor sich
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