Engel der Verdammten
es mit den Gebeinen aus? Wie passt das alles zusammen? Konnte es wahr sein, dass ich für Gregory bestimmt war? Nur allzu bald würde er merken, dass die Tatsache, dass der Zaddik von meiner körperlichen Anwe-senheit gewusst und mich trotzdem ihm übergeben hatte, kei-nesfalls im Widerspruch zu Gregorys eigener Theorie stand, dass ich für ihn bestimmt sei.
›Richtig‹, sagte er auch schon, wie als Antwort auf meine Gedanken. ›Der Rabbi war nur das Instrument. Er hatte keine Ahnung. Nicht die mindeste Ahnung, dass er die Gebeine für mich aufbewahrte. Und Esthers Worte bilden das verbindende Glied in der Kette. Esther schloss die Kette, als sie mit deinem Namen auf den Lippen starb, sie sandte mich zum Rabbi, damit ich die Gebeine und damit dich bekam, siehst du. Du bist bestimmt für mich und meiner wert.‹
Er lief hin und her, massierte nachdenklich mit einem Finger seine Unterlippe.
›Esthers Tod war unvermeidlich, notwendig. Ich habe es selbst nicht gleich erkannt. Sie war das Lamm. Und sie brachte dich zu mir. Ich muss dir jetzt vor allem anderen deine Bestimmung deutlich machen.‹
›Weißt du‹, sagte ich, ›vielleicht ist ja etwas dran an deinem Gerede darüber, dass ich deiner würdig sei. Ich meine - vielleicht bist du ja meiner würdig. Du bist so voller Überraschun-gen. Ich frage mich wirklich.‹
Ich machte eine Pause, dann fuhr ich fort: ›Jene anderen Gebieter, vielleicht waren sie ja meiner nicht würdig.‹
›Sie können es nicht gewesen sein‹, sagte er kaltschnäuzig.
›Aber ich bin es. Und nun verstehst du langsam, und du hilfst mir, zu verstehen. Ich bin der Meister, aber nur insofern, als ich deine Bestimmung bin, ich bin dein ... deine .. .‹
Verantwortung?‹
›Ah, ja, das ist wohl genau das richtige Wort.‹
›Das ist der Grund, warum ich dich nicht töte, obwohl du den Mord an diesem armen Mädchen durch schwülstiges Blabla rechtfertigen willst.‹
›Es sind Tatsachen. Sie hat mich zu dir geführt und dich zu mir! Sie war das! Das bedeutet, dass mein Plan funktioniert, er wird Realität werden. Sie war eine Märtyrerin, ein Opfer, ein Orakel.‹
›Man erkennt Gottes Hand in alldem?‹, fragte ich spöttisch.
›Ich werde handeln, wie ich denke, dass Gott es von mir erwartet‹, antwortete er. ›Wer könnte es besser machen?‹
›Du würdest mich glatt verleiten, dich zu lieben, nicht wahr?
Du bist so sehr daran gewöhnt, dass man dich liebt, alle lieben sie dich, die Leute, die die Türen vor dir aufreißen, und die, die dir den Tee einschenken, und die, die dich im Wagen herum-kutschieren ...‹
›Ich muss das haben‹, flüsterte er. ›Ich brauche die Liebe und die Anerkennung der Menge. Ich liebe das einfach. Ich liebe es, wenn die Kameras auf mich gerichtet sind. Ich liebe es, meine großartigen Pläne wachsen und wachsen zu sehen.‹
›Na, bei mir wirst du vielleicht eine kleine Ewigkeit darauf warten müssen! Schon ehe ich Esther sterben sah, war ich es verdammt leid, ein Geist zu sein! Ich bin es leid, einem Gebieter zu dienen. Ich sehe keinen Grund, warum ich mich an die Anweisungen halten sollte, die auf der Truhe stehen.‹
Wieder wallte Zorn in mir auf. Hitze! Aber nicht stärker, als der Körper eines normalen Mannes reagiert hätte.
Ich starrte die Truhe an, rief mir meine Worte noch einmal ins Gedächtnis. Hatte ich derart kühne Worte gebraucht? Ja, tatsächlich, und es war die Wahrheit, kein Fluch, auch kein dringendes Flehen, an wen auch immer.
Stille. Wenn er etwas gesagt hatte, hatte ich es nicht mitbekommen. Ich hatte etwas anderes gehört, einen Schmerzens-schrei oder Schlimmeres. Was ist schlimmer als Schmerz?
Panik? Ich hatte einen Schrei gehört, der zwischen der höchsten Pein liegt und dem Wahnsinn, der alle Sinne auslöscht.
Ein helles Kreischen hatte ich vernommen, sozusagen zwischen Licht und Schatten, wie eine Erzader vor hellem Hintergrund,
›Du sahst, wie sie dich ermordet haben?‹ Er hatte mich angesprochen. ›Asrael, du wirst jetzt vielleicht wissen, was der Grund dafür ist.‹
In meinen Ohren klang das Geräusch des knisternden Feuers unter dem Kessel, und der Geruch der Beigaben, die in das kochende Gold geschüttet worden waren, stieg mir in die Na-se!
Ich war nicht fähig zu antworten. Ich wusste, ich hatte es gesehen, aber darüber zu sprechen, daran zu denken, bedeutete zu viel tiefe Einsicht, zu viel Erinnerung. Es ging einfach nicht.
Ich hatte es früher schon versucht. Ich konnte mich an den
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