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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Pflegerinnen versuchten, sich Gehör zu verschaffen.
    Eine Frau stieß ich unabsichtlich zu Boden, als ich mich auf sie stürzte, um sie von Rachel zu lösen. Die anderen waren wie gelähmt, nur Rachel selbst nicht, die nach mir griff und mit einer Hand meinen Kopf festhielt, als wolle sie mich zwingen, sie anzusehen.
    Sie war wirklich krank, und das Fieber wütete in ihr. Sie war kaum älter als Gregory - höchstens fünfundfünfzig. Eine überwältigende, elegante Frau, trotz allem.
    Gregory fluchte: ›Verdammt, Rachel! Asrael, lass sie los.‹
    Dann signalisierte er den anderen im Zimmer: ›Bringt Mrs.
    Belkin zurück in ihr Bett.‹
    ›Nein‹, sagte ich.
    Ich stieß zwei der Leute mühelos fort von ihr, sodass sie sich stolpernd aneinander festklammerten und sich zurückzogen.
    ›Nein‹, sagte ich. ›Ich werde Ihnen helfen.‹
    ›Asrael‹, sagte sie. ›Asrael!‹ Sie erkannte den Namen, aber sie konnte ihn nicht unterbringen.
    ›Lebe wohl, Gregory‹, sagte ich. ›Wir werden sehen, ob ich zu dir und diesen Gebeinen zurückkehren muss. Diese Frau will nicht unter diesem Dach sterben. Das ist ihr gutes Recht. Da bin ich ihrer Meinung. Und ich muss es für Esther tun, das siehst du doch ein. Mach's gut, bis ich wieder komme.‹

    Gregory stand sozusagen da, wie von allen guten Geistern verlassen.
    Die Bediensteten waren hilflos.
    Rachel Belkin warf einen Arm um mich, und ich hielt sie mit meinem rechten Arm fest umklammert.
    Sie schien kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen, und ihr Fuß glitt auf dem glatten Boden aus, sodass ihr ein Schmer-zensschrei entfuhr. Ich hielt sie fest. Ihr Haar hatte sich gelöst und hing ihr ins Gesicht, die silbernen Strähnen nicht weniger schön als das tiefe Schwarz. Sie war dünn und zierlich für ihr Alter und hatte die zähe Schönheit eines Weidenbaums oder eines von Wind und Wellen gepeitschten Astes am Strand, dessen Blätter zerzaust sind und dennoch glänzen.
    Zügig ging ich mit ihr zur Tür.
    ›Das kannst du nicht machen‹, sagte Gregory. Er war vor Wut dunkelrot angelaufen. Ich schaute zurück auf den Anblick, den er bot, vor Wut stotternd, stierend, die Fäuste geballt, alle Anmut dahin. ›Haltet ihn zurück‹, sagte er zu den Angestellten.
    ›Lege es nicht darauf an, dass ich dir wehtun muss, Gregory‹, sagte ich. ›Das wäre denn doch zu viel der Freude.‹
    Er stürzte sich auf mich. Ich wirbelte herum, sodass ich Rachel festhalten und ihn dennoch mit meiner linken Hand erwischen konnte.
    Und mit der linken Faust verpasste ich ihm einen kräftigen Hieb, der ihn rücklings zu Boden gehen ließ, sodass sein Kopf auf den Kamin aufschlug.
    Eine Sekunde hielt ich den Atem an und dachte, er sei tot, aber er war nur benommen, immerhin hatte ich ihn derart heftig erwischt, dass all die kleinen feigen Helfer sich bemüßigt fühlten, zu ihm zu eilen und sich um ihn zu kümmern.
    Das war der richtige Augenblick für uns, das wusste die Frau so gut wie ich; gemeinsam eilten wir aus dem Zimmer.
    Wir hasteten den Gang entlang, den bronzenen Türen entgegen. Auf dieser Seite waren sie nicht mit Engeln geschmückt, sondern nur wie der Teppich zuvor mit dem seine Zweige ausbreitenden Lebensbaum, dessen Stamm sich nun in zwei Hälften teilte, als wir die Türflügel aufstießen.
    Ich hatte nur ein Gefühl: Kraft durchflutete mich. Um Rachel zu tragen, hätte ich nur einen Arm gebraucht, doch sie ging schnell und aufrecht neben mir, als könne sie nicht anders, dabei drückte sie ihr Gepäckstück an sich.
    Wir betraten den Aufzug, die Türen schlossen sich. Die Frau fiel gegen mich. Ich nahm ihr das Gepäck ab und hielt sie fest.
    Hier, in dieser kleinen Kammer, die sich durch diesen Palast abwärts bewegte, waren wir allein.
    ›Er tötet mich‹, sagte sie. Ihr Gesicht war dicht vor dem meinen. Ihre Augen wirkten herrlich verschwommen. Ihre Haut war glatt und jugendlich. ›Er vergiftet mich langsam. Ich verspreche Ihnen, Sie werden es nicht bereuen, dass Sie mir geholfen haben. Sie werden es nicht bereuen.‹
    Ich betrachtete sie und sah die Augen ihrer Tochter, genauso groß, so außergewöhnlich, selbst mit der dünnen, bleichen Haut ringsum. Wie konnte sie in ihrem Alter noch so gut in Form sein. Sie musste gegen ihr Alter und gegen ihre Krankheit heftig angekämpft haben.
    ›Wer sind Sie, Asrael?‹, fragte sie. ›Wer sind Sie? Ich habe diesen Namen schon einmal gehört. Ich kenne den Namen.‹
    Die Art, wie sie meinen Namen aussprach, klang, als vertraue sie

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