Engel der Verdammten
wie er dich am besten benutzen könnte.‹
›Ich verstehe ihn nur zu gut‹, antwortete ich. ›Mach dir keine Sorgen. Ich werde tun, was richtig ist. Wer weiß? Vielleicht werde ich ihn lehren, was Gut und Böse ist, denn ich weiß es möglicherweise. Vielleicht könnte ich sogar seine Seele retten.« Ich lachte. ›Das wäre gar zu schön.‹
›Ja‹, sagte sie. ›Aber du hast Verlangen nach dem Leben, großes Verlangen. Was bedeutet, dass er mit all seiner glü-
henden Lebendigkeit dich verlocken könnte, genau wie du durch mich verlockt wurdest.‹
›Niemals, sage ich dir. Ich werde alles zum Guten wenden.‹
›Ja, das tu, wende alles zum Guten.‹
Ein dumpfes Poltern erklang. Man brach die Tür auf. Ich hörte Holz splittern.
Rachel sagte seufzend: ›Vielleicht war es ja doch Esther, die dich herbeigerufen hat, möglicherweise. Mein Engel.‹
Ich küsste sie.
Männer trampelten durch das hinter uns liegende Zimmer. Um das zu wissen, brauchte ich mich gar nicht erst umzuwenden.
Sie blieben abrupt stehen, und man hörte unterdrücktes, aufgeregtes Murmeln. Dann übertönte Gregorys Stimme sie alle.
›Rachel, Gott sei Dank, du bist in Ordnung.‹
Ich drehte mich um, sah ihn an, und er sah mich, sein Gesicht war hart und entschlossen und kalt. ›Lass meine Frau los‹, sagte er. Dieser Lügner.
Er kochte vor Wut, und Wut brachte das Böse in ihm zum Vorschein. Wut nahm ihm auch seinen Charme. Ich schätze, auch bei mir hatte die Wut oft den Charme überdeckt. Und während ich dastand, senkte sich langsam die Erkenntnis in mich, dass ich endlich wieder liebte, dass mein Hass vergangen war. Ich liebte Esther, ich liebte Rachel. Ich hasste nicht einmal Gregory.
›Geh zur Tür, und stelle dich zwischen uns. Tu es für mich, bitte‹, sagte Rachel und küsste mich auf die Wange. ›Bitte, tu es für mich.‹
Ich gehorchte, indem ich meine Hand auf den stählernen Türrahmen legte.
›Ich lasse euch nicht vorbei‹, sagte ich.
Gregory schrie auf. Er ließ ein Gebrüll ertönen, das aus tiefster Seele kam, und die ganze Truppe stürzte sich auf mich. Sie rempelten gegen meine Schultern, als sie an mir vorbei nach draußen rannten. Aber ich wusste schon, weswegen sie derart geschrien hatten.
Rachel war gesprungen.
Ich ging zur Brüstung, schob die anderen beiseite und schaute hinab in den Garten. Dort lag, winzig anzusehen, die leere Hülle ihres Körpers, um die das Licht spielte.
›O Gott, bitte, nimm sie zu dir‹, betete ich in meiner uralten Muttersprache.
Dann blitzte ein Licht auf und schoss empor. Für einen Moment sah es aus wie ein Blitz, der über den südlichen Himmel fuhr und hinter den Wolken explodierte. Doch es war Rachels Seele, die dahinging. Sie war aufgestiegen, und vielleicht hatte ich für eine Sekunde das Tor zum Himmel erblickt.
Im Garten blieben die Trompetenblumen zurück, und Rachels leere Hülle, ihr Gesicht unverletzt, starrte in den Himmel.
Steige empor, Rachel, und du, Esther, bitte, hilf ihr die Stufen hinauf. Ich stellte mir, mein mit den Resten einer Erinnerung vollgestopftes Gedächtnis benutzend, diese Treppe, diese Stufen vor.
Gregory weinte in tiefem Schmerz, Männer griffen nach meinen Armen und hielten mich fest. Und Gregory schrie und weinte und schluchzte, und diesmal war es wirklich kein künstlicher Gefühlsausbruch. Der Mann starrte auf Rachels Überreste hinab und heulte vor Kummer und schlug mit den Fäusten auf die Balustrade.
›Rachel, Rachel, Rachel!‹
Ich schüttelte die fremden Hände ab. Die Männer strauchelten, verblüfft von meiner Kraft wussten sie nicht, wie sie sich verhalten sollten, und Gregorys vor Kummer heulende Gestalt machte sie sichtlich verlegen.
Plötzlich brach die Hölle los. Noch mehr Männer waren aufgetaucht, der arme Ritchie ebenfalls, und Gregory hing, unaufhörlich klagend, über dem Geländer. Er wiegte sich hin und her, einem Hebräer gleich krümmte er sich und rief jüdische Worte.
Ich schob die Männer beiseite, schleuderte einige bis ans andere Ende der Terrasse und ging hart zur Sache, bis sie endlich aufgaben.
Ich wandte mich an Gregory: ›Du hast sie wirklich geliebt, nicht wahr?‹
Er drehte sich zu mir um, schaute mich an und wollte sprechen, aber der Kummer erstickte seine Stimme. ›Sie war für mich ... die Königin von Saba‹, stammelte er schließlich. ›Sie war doch meine Königin ...‹ Und wieder begann er zu klagen und sprach seine Gebete.
›Ich verlasse dich jetzt, dich und deine
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