Engel der Verdammten
Freund, den ich je hatte. Ich werde dich nicht allein lassen. Wenn du mich brauchst, um sie zu erschrecken oder zurückzuhalten, dann lass mich erscheinen. Lass mich erscheinen, und ich versuche mein Möglichstes. Aber ich werde dich nicht im Stich lassen, ich bin dein Gott, dein ganz persönlicher Gott, ich werde bei dir sein.‹
Wir hatten den Palast erreicht und wurden diskret durch einen Seiteneingang eingelassen. Man komplimentierte uns aus unseren Sänften und geleitete uns über die herrschaftliche Treppe aus Gold und glasierten Ziegeln, durch herrliche Schleier hindurch, die die riesigen Säle voneinander abtrenn-ten; und wir gingen vorwärts, in Schweigen gehüllt, mein Vater und ich, wir folgten den Priestern bis zu dem königlichen Saal, in dem Belsazar tagtäglich aus der Gerechtigkeit eine Farce machte, wenn er den ihm vorgetragenen Fällen lauschte und seine weisen Ratgeber ihm sagten, was sie in den Sternen lasen. Schließlich gelangten wir in ein kleines, elegantes Zimmer, in dem ich noch nie zuvor gewesen war.
Ich bemerkte, dass man, um dessen Tür zu öffnen, ein Siegel hatte aufbrechen müssen, ein sehr altes Siegel. Aber Diener waren hier gewesen, denn um uns häuften sich luxuriöse Ein-richtungsgegenstände, edle Teppiche, Kissen, die üblichen Schleier, und die von den Deckenbalken hängenden Lampen, mit duftendem Öl gefüllt, verströmten helles Licht.
In der Zimmermitte stand ein Tisch, an dem mehrere Männer saßen. Und hinter diesen standen zwei meiner Onkel, einer davon war der schwerhörige, möge er namenlos bleiben. Und die Ältesten unseres Volkes Israel waren da, ebenso wie Asenath und der Prophet Enoch.
Ganz langsam ließ ich meinen Blick von einem zum anderen am Tisch schweifen. Wir waren von eilfertigen Dienern, die die Stühle für uns zurückzogen, ihnen gegenüber platziert worden.
Ich erkannte unseren trübsinnigen Regenten, Belsazar, er war benommen vom Wein und sah dümmlich und erschreckt aus und murmelte etwas über Marduk vor sich hin. Und dann erkannte ich Nabonidus, den alten Nabonidus, den eigentlichen König, der mein halbes Leben lang abwesend gewesen war.
Da saß nun unser echter König in vollem Ornat, wenn auch nicht auf einem Thron, sondern nur am Tisch, und seine gro-
ßen, wässrigen Augen waren schon tot und leer, und er lächelte mich nur an und sagte: ›Hübsch, hübsch ist er ... ihr habt einen so hübschen Jüngling gefunden ... hübsch wie der Gott selbst.‹
›Schön genug, um selbst ein Gott zu sein!‹, hörte ich eine Stimme und richtete den Blick auf einen Mann direkt mir gegenüber, einen schönen, stattlichen Mann, größer als die anderen hier, schlanker gebaut und mit schwarzem lockigem Haar, das jedoch kürzer geschnitten war, als wir es trugen.
Abgesehen von einem sorgfältig gestutzten Oberlippenbart war er glatt rasiert.
Das war ein Perser! Die Männer an seiner Seite waren Perser.
Sie trugen persische Gewänder, den unseren sehr ähnlich, doch von königlichem Blau, und sie waren übersät mit Juwelen und Goldstickerei, und ihre Finger trugen eine Vielzahl von Ringen. Und die Kelche vor ihnen auf dem Tisch waren die Kelche aus unserem Tempel!
Diese Männer dort waren Vertreter des persischen Weltreichs, das dabei war, uns zu unterwerfen, uns zu töten. All die seltsamen Prophezeiungen Enochs fielen mir wieder ein, und ich bemerkte, dass er mich anstarrte, ein beinahe schelmisches Lächeln im Gesicht, und Asenath sah aus, als habe sie ein Wunder gesehen.
›Setz dich nieder, junger Freund‹, sagte der hoch gewachsene, kräftige Mann mit den lachenden Augen, der Ansehnlich-ste von allen, der Mann, der Macht ausstrahlte. ›Ich bin Kyros, und ich möchte, dass ihr euch hier wie zu Hause fühlt.‹
›Kyros!‹, rief ich aus. Kyros war der Eroberer.
Alles, was der Mann bisher zuwege gebracht hatte, fuhr mir mit der Schärfe einer Klinge durch den Kopf. Dies war Kyros, der achämenidische König, der schon über die halbe Welt herrschte. Er hatte das medische Reich mit dem persischen vereint und hatte vor, auch Babylon einzunehmen. Dies war der Mann, der die Städte ringsum in Angst und Schrecken versetzt hatte. Hier hatten wir nun kein Kneipengeschwätz mehr über Krieg. Hier war Kyros selbst, saß uns direkt gegen-
über.
Ich hätte mich vor ihm niederwerfen sollen, aber niemand tat das, und er hatte schließlich mit klarer Stimme und exzellenter Beherrschung des Aramäischen gesagt, ich möge mich wie zu Haus fühlen.
Nun
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