Engel der Verdammten
herausgezogen hatte, fummelte ich an den Knöpfen herum. Ich hatte das Ding noch nie hier benutzt, es hatte schon ewig im Auto gestanden, und wenn es mir vor meiner Abfahrt in die Hände gefallen wäre, hätte ich es gar nicht erst mitgenommen.
Vor fünf Jahren, als ich zum Fischen war, doch, da hatte ich den Apparat schon einmal dabeigehabt, und genau wie damals sprang er unvermittelt an, schwarzweiße Zickzacklinien huschten über den Schirm, und endlich kam auch eine »Nach-richtenstimme«, sehr akzentuiert, die amtliche Sprache einer Sendeanstalt mit der Zusammenfassung der letzten Ereignisse des Tages.
Ich drehte die Lautstärke auf, das Bild tanzte, wackelte, kippte weg, doch die Stimme war immer noch unverzerrt.
Der Krieg auf dem Balkan hatte neuerlich eine schreckliche Wendung genommen. Ein Granatregen auf Sarajewo hatte ein Hospital getroffen und mehrere Menschen getötet. In Japan war ein Sektenführer wegen Verabredung zum Massenmord in Arrest genommen worden. In einer nahe gelegenen Ortschaft war ein Mord verübt worden. Und so ging es fort und fort, Fakten in knappe, flüssige Sätze gehüllt ... jetzt hörte das Bild auf zu wackeln. Das Gesicht einer Nachrichtensprecherin war zu erkennen, nicht sehr deutlich, doch es erleichterte mir das Zu-hören.
» ... erreichen uns weitere Schreckensmeldungen über den
›Tempel vom Geiste Gottes‹. Alle Mitglieder des boliviani-schen Zweiges sind tot; sie legten eigenhändig Feuer an die Anlage, als internationale Agenten sie aufforderten, sich zu ergeben. Inzwischen werden in New York stündlich weitere Anhänger Gregory Belkins verhaftet.«
Ich war so erregt, dass ich den kleinen Apparat nahm und ihn mir dicht vors Gesicht hielt. Schnelle, verwischte Kamera-schwenks huschten über Verhaftete, mit Handschellen und Fußketten versehen, hinweg.
» ... allein in New York genug Giftgas, um die gesamte Bevölkerung auszulöschen. Inzwischen erhielten die Vereinten Nationen von den iranischen Behörden die Bestätigung, dass alle dortigen Mitglieder der Sekte inhaftiert sind; die Verhandlun-gen über die Auslieferung der von Belkin geförderten Terroristen an die Vereinten Nationen werden sich, offiziellen Angaben zufolge, noch geraume Zeit hinziehen. Aus Kairo erhielten wir die Bestätigung, dass alle Anhänger Belkins sich den Behörden überantwortet haben. Alle in ihrem Besitz be-findlichen chemischen Kampfstoffe wurden sichergestellt.«
Weitere Bilder, Gesichter, Männer, Schüsse, Feuer, flimmerten über den winzigen Bildschirm, scheußliches Feuer, das der kleine Apparat in meiner Hand als winzige schwarzweiße Blitze wiedergab. Dann war wieder das heitere Gesicht der Nachrichtensprecherin zu sehen, sie schaute direkt in die Kamera und damit sozusagen durch deren Linse hindurch in meine Augen. Ihr Tonfall änderte sich, als sie sagte:
»Wer war Gregory Belkin? Gab es tatsächlich einen Zwillingsbruder, Nathan, wie die, die mit dem Magnaten des Kultes auf vertrautem Fuß standen, vermuten?
Es gibt zwei Leichen, die eine begraben auf dem Jüdischen Friedhof, die andere im Leichenschauhaus von Manhattan.
Und obwohl die paar Mitglieder der Chassidischen Gemeinde in Brooklyn, die Belkins Großvater einst gründete, sich weigern, den Behörden Rede und Antwort zu stehen, behält man sich vor, den Hintergrund dieser beiden Männer zu erfor-schen.«
Das Gesicht der Frau verschwand. Asrael war auf dem Fernsehschirm zu sehen. Ein Foto, unscharf und aus großer Entfernung aufgenommen, doch unverkennbar er.
»Währenddessen ist der Mann, den man des Mordes an Rachel Belkin beschuldigt und der möglicherweise tief in die gesamte Verschwörung verstrickt ist, noch immer auf freiem Fuß.«
Dann folgte eine Reihe Standbilder, offensichtlich aus Uberwa-chungsvideos herauskopiert - Asrael, glatt rasiert, wie er durch die Halle eines Gebäudes schritt; Asrael inmitten der Menge, weinend über den Körper Esther Belkins gebeugt; eine Nah-aufnahme von Asrael, auch hier bartlos, der, vor sich hin starrend, durch eine Tür schritt. Dann eine ganze Bildserie, eindeutig ebenfalls aus Überwachungskameras, doch zu verwischt, als dass man tatsächlich jemanden hätte erkennen können; eines davon zeigte ihn mit Rachel Belkin, Esthers Mutter, Gregorys Ehefrau, wie ein Sprecher erklärte. Von Rachel sah man nur einen schlanken Körper, unmöglich hohe Absätze und wirres Haar. Aber Asrael erkannte ich, zweifellos.
Ich war wie gebannt.
Das Gesicht eines kahlköpfigen,
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