Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
auszuprobie-ren. Fauliger Gestank wie in einem Leichenhaus stieg auf und verflog dann langsam.
    Asrael, wieder sein altes Selbst, stand dort, den Rücken mir zugekehrt. Er breitete die Arme aus und sagte ein paar Worte, Sumerisch wahrscheinlich, doch ich war mir dessen nicht sicher. Er sprach eine Beschwörung, und ein süßer Duft breitete sich aus. Ich blinzelte. Rosenblätter schwebten vor mir durch die Luft. Ich spürte sie auf meinem Gesicht. Der Leichenhaus-gestank war fort.
    Asrael behielt seinen Platz am Feuer, breitete abermals die Arme aus und verwandelte sich: ein mattes Abbild Gregory Belkins, das einen Augenblick flimmerte und dann in Asraels eigener Gestalt aufging. Seufzend ließ er die Arme sinken.
    Ich stieg aus dem Bett und ging hinüber zu dem Kassettenrecorder.
    »Darf ich ihn anmachen?«, fragte ich.
    Als ich aufschaute und Asrael im hellen Licht des Feuers sah, bemerkte ich den blauen Samtanzug, den er nun trug. Ein antikes goldenes Muster zog sich über Kragen, Ärmel und Hosensaum, und der breite Gürtel im gleichen Blau war goldbestickt. Asraels Gesicht schien verändert, war weniger jung als zuvor.
    Ich stand auf und trat so dicht an ihn heran, wie es die Höflichkeit noch zuließ. Was genau hatte sich denn geändert?
    Nun, seine Haut war ein wenig dunkler, wie sie bei Menschen ist, die in sonnenheißen Gegenden leben, und die Augenpartie zeigte mehr Details, die Lider wirkten weicher gezeichnet, nicht mehr so perfekt und dadurch vielleicht noch schöner.
    Man konnte die Poren seiner Haut erkennen und die kurzen vereinzelten Härchen am Haaransatz, dunkel und fein.
    »Was siehst du?«, fragte er mich.
    Ich setzte mich in der Nähe des Recorders nieder. »Alles an dir ist insgesamt etwas dunkler und etwas ausgeprägter«, sagte ich.
    Er nickte. »Ich kann nicht mehr einfach willentlich die Gestalt Gregory Belkins annehmen. Und auch die Ähnlichkeit mit anderen Leuten kann ich nicht lange aufrechterhalten. Ich kann mir das nicht erklären, ich bin kein Wissenschaftler. Vielleicht ist man ja eines Tages so weit, es wird etwas mit Begriffen wie kleinste Teilchen und Schwingungen zu tun haben. Auf jeden Fall mit irdischen Begriffen.«
    Wilde Neugier hielt mich gefangen.
    »Hast du schon versucht, das Äußere einer Person anzunehmen, die dir vielleicht etwas sympathischer ist als Gregory Belkin?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich kann mich ziemlich widerlich aussehen lassen, wenn ich dich erschrecken will, aber ich möchte nicht hässlich sein. Ich möchte auch niemanden erschrecken.
    Der Hass hat mich verlassen, und damit auch ein Teil meiner Kraft, stelle ich mir vor. Ein paar Tricks kann ich aber noch zustande bringen. Schau.«
    Er schloss die Hände um seinen Hals und ließ sie dann langsam über die bestickte Front seines Anzugs herabgleiten. Dabei entstand unter seinen Händen eine Kette aus geprägten, goldenen Scheiben, antiken Münzen gleich. Das Haus bebte in seinen Grundfesten. Das Feuer flackerte einen Moment auf und fiel wieder in sich zusammen.
    Er hob die Kette an, um ihre Masse und ihr Gewicht zu demonstrieren, und ließ sie dann wieder los.
    »Hast du etwas gegen Pelze?«, fragte er mich. »Eine Abneigung, Pelze zu tragen? Ich sehe keine wärmenden Felle hier, ein Bärenfell etwa.«
    »Nein«, sagte ich, »nichts dergleichen, keine Abneigung, kein Ekel.«
    Die Zimmertemperatur stieg dramatisch an, abermals loderte das Feuer auf, als würde es geschürt, und ich fühlte mich in eine große dunkle, seidengefütterte Bärenfelldecke gehüllt. Ich hob die Hand und strich über das Fell, das lang und dicht war.
    Es ließ mich an Russland, an die Wälder dort denken, und an die russischen Erzählungen, in denen die Männer immer in Pelze gekleidet sind. Ich dachte auch an die Juden, die in Russland früher Pelzhüte getragen hatten, vielleicht sogar heute noch tragen. Ich richtete mich auf und wickelte mich noch gemütlicher in die Decke.
    »Das ist wirklich fantastisch«, sagte ich. Ich bebte, dabei überschlugen sich die Gedanken in meinem Kopf, sodass ich nicht wusste, was ich zuerst äußern sollte.
    Asrael stieß einen tiefen Seufzer aus und ließ sich betont theatralisch in seinen Sessel fallen.
    »Das hat dich erschöpft«, stellte ich fest, »diese Umwandlun-gen, diese Tricks.«
    »Ja, irgendwie schon. Aber ich bin nicht zu erschöpft zum Sprechen, Jonathan. Es ist nur so, dass ich kaum mehr als das zustande bringe ... aber dann ... wer weiß? Was macht Gott da mit mir? Ich

Weitere Kostenlose Bücher