Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
in Persien üblich war unter Königen und Gleichrangigen.
    Dann drehte ich mich zu Marduk um.
    ›Marduk, begleite mich; ich kann mich zwar nicht erinnern, wie wir zueinander standen, aber schlecht war unser Verhältnis jedenfalls nie.‹
    ›Ich habe nicht die Macht dazu, Asrael‹, gab er ruhig zurück.
    ›Es ist, wie Kyros sagt. Du bist, was die persischen Priester und Weisen einen mächtigen Engel oder mächtigen Dämon nennen. Solche Kräfte habe ich nicht. Die Flamme meines Geistes wird von der Bevölkerung Babylons genährt, die an mich glaubt und zu mir betet. Selbst in der Gefangenschaft hielt mich die Hingabe derer lebendig, die mich eingekerkert hatten. Ich kann dich nicht begleiten, ich wüsste nicht einmal, wie.‹
    Er runzelte die Stirn. ›Doch warum willst du überhaupt einem Menschen trauen, sei er auch ein König?‹, fragte er. ›Nimm doch selbst die Truhe und gehe, wohin du willst...‹

    ›Nein, das kann ich nicht. Sieh doch, selbst in diesem Augenblick vibriert dieser Körper. Ich bin ein neugeborener Geist und noch nicht stark genug. Ich muss Vertrauen haben ... in Kyros, den König der Perser, und wenn er mich loswerden wollte, wenn er ebenso schändlich und grausam an mir handeln wür-de wie all die, denen meine Liebe gehörte, wenn er das täte, nun, ich fände einen Weg, mich zu rächen, nicht wahr, großer König?‹
    ›Ich werde dir dazu keinen Anlass bieten‹, antwortete Kyros.
    ›Wende deinen Hass von mir ab. Er verletzt mich, ich kann ihn fühlen.‹
    ›Genau wie ich‹, sagte ich. ›Und es ist ein göttliches Gefühl zu hassen! Zornig zu sein! Zu vernichten!‹
    Ich ging einen Schritt auf ihn zu.
    Er rührte sich nicht von der Stelle. Er schaute mir fest ins Gesicht, und ich fühlte mich wie in einer sanften Erstarrung fixiert, unfähig, seinem Blick auszuweichen. Ich strengte mich nicht gerade an, mich ihm zu widersetzen, aber immerhin spürte ich seine Dominanz, die seiner Furchtlosigkeit und seinem Sie-geswillen entsprang, und ich hielt still.
    ›Vertraue mir, Asrael, denn du hast mich heute zum Herrscher über die Welt gemacht, deshalb will ich dafür sorgen, dass du zu dem großen Meister gebracht wirst, der dich alles lehren wird, was ein Geist wissen muss.‹
    ›Herrscher über die Welt? Das tat ich für dich, schöner Mann?‹, fragte ich. Ich schüttelte mich. Natürlich, ich kannte ihn doch. Ich erinnerte mich an die Tragödie. Der Atem der Löwen. Doch dann war alles wieder wie ausgelöscht. Nichts wusste ich.
    Marduk erhob die Stimme; doch inzwischen war Marduk für mich nur noch ein Geist, ein freundlicher guter Geist an meiner Seite.
    ›Asrael, weißt du, wer ich bin?‹
    ›Ein Freund, ein befreundeter Geist?‹
    ›Und was sonst?‹

Schmerz überwältigte mich. ›Ich kann mich nicht erinnern.‹ Ich erklärte ihm, dass ich mich an den Kessel erinnern konnte, an den Priester, den ich getötet hatte, doch nicht an dessen Namen, aber an die tote Alte. Ich kannte den König, das ja. Aber ich hatte keine echte Erinnerung an irgendetwas. Plötzlich stieg mir Rosenduft in die Nase, und als ich meinen Blick senkte, sah ich, dass der gesamte Fußboden mit Rosenblättern bestreut war.
    ›Gib sie ihm‹, wandte sich Kyros an die Hure, indem er auf die Blüten wies. Und die entzückende Kleine sammelte eine Hand voll nach der anderen auf. ›Lege sie doch für mich in die Truhe‹, bat ich sie. ›Wie heißt diese Stadt? Wo sind wir hier?‹
    ›Babylon‹, antwortete Kyros.
    ›Und du schickst mich nun nach Milet zu einem großen Magier. Ich muss seinen Namen wissen. Ich darf ihn nicht vergessen.‹
    ›Er wird dich rufen‹, sagte Kyros.
    Ich warf einen letzten Blick auf die Anwesenden. Dann schritt ich zu den Fenstern, die zum Fluss hin lagen, und ich schaute hinaus und dachte, was dies doch für eine wunderschöne Stadt sei, so lichtdurchflutet in dieser Nacht und so voller Ge-lächter und Fröhlichkeit.
    Ohne meine Stimme zu erheben, löste ich mich abermals auf, wütete gegen die Seelen an, die mich einschließen wollten, und fiel wiederum in jene samtene Schwärze, nur dass ich dieses Mal den Duft der Rosen spürte, und mit den Rosen kam eine Erinnerung, die Erinnerung an eine Prozession, an Leute, die Hochrufe ausstießen und schrien und winkten, und an einen sehr stattlichen Mann, der mit einer wunderschönen Stimme sang, und Blüten, die hoch aus der Luft auf uns herab-rieselten, auf unsere Schultern fielen ... doch die Erinnerung verblasste schnell.
    Ich

Weitere Kostenlose Bücher