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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einer exzentrischen Laune heraus bemalt.
    »Danke«, sagte Haller leise. »Danke, Siri.« Er blickte hinüber nach Nongkai. Man konnte von hier aus die Straße sehen, vom Marktplatz bis zum Tor. Vor dem Hospital stand der kleine grüne Jeep. Den Fahrer konnte Haller nicht erkennen, aber deutlich sah er den langen, dürren Adripur und hinter ihm einen Mann mit einem Gewehr.
    »Er fährt mit«, sagte Haller schwer atmend. »Adripur wird überleben, wenn er in die richtigen Hände kommt. Ich gönne es ihm.«
    »Jetzt kommt sie aus dem Haus«, sagte Siri. Haller streckte den Kopf vor und legte beide Hände wie ein Dach vor die Augen.
    »Taikky ist bei ihr«, sagte er. »Welche Gemeinheiten wird er ihr jetzt sagen! Mein Gott, warum muß man hier so hilflos herumsitzen!«
    »Du möchtest mit ihr fahren, nicht wahr, Chandra?«
    »Nein.« Er beugte sich vor, als könne er dadurch besser sehen. Bettina stieg in den Jeep, Taikky sprach auf sie ein, Adripur legte beide Hände auf ihre Schultern. Weinte sie? »Ich bin ein Krüppel, Siri. Bettina wird Nongkai als ein böses Zwischenspiel ihres Lebens in Erinnerung behalten, aber es bleiben keine Narben zurück. Ihre Jugend ist die beste Medizin. Sie löst alle Probleme auf.«
    »Sie liebt dich, Chandra.«
    »Auch das wird sie vergessen, wenn sie wieder in Hamburg ist.«
    »Dann hat sie dich nie geliebt, Chandra. Ich werde dich niemals vergessen.«
    »Ich bleibe ja auch bei dir, Siri.«
    »Warum lügst du?« Sie legte beide Hände über seine Augen. »Du bleibst nur, um Rache an Karipuri zu nehmen. Aber warum sprechen wir darüber, Chandra? Solange du bei mir bist, gehörst du mir, und jeder Tag ist wie ein Tropfen aus der Sonne.«
    Sie hielten sich gegenseitig fest, als ein stärkerer Wind aufkam und die Baumwipfel gefährlich zu schwanken begannen. Der Jeep fuhr jetzt an und schoß in hohem Tempo durch das Tor der Palisaden auf die Dschungelstraße. Haller sah, wie Dr. Adripur sich zu Bettina vorbeugte und ihren Kopf umfaßte. Sie weint, dachte er. Sie kann noch weinen, wo sie fluchen müßte. Sie hat mich wirklich geliebt, mich. Aber es ist besser so, Betty. Geh nur und vergiß mich! Heirate einen fröhlichen jungen Mann. Lebe wohl, Betty …
    Sie blieben auf der Krone des Baumes sitzen, bis sie den Jeep als hüpfenden Punkt im Dschungel untergehen sahen.
    Am Nachmittag legte sich Haller in den warmen Regen und wusch die Reste des roten Breis von seinem Körper.
    Siri saß nackt neben ihm, trocknete ihn ab, als er wieder unter dem schützenden Blätterdach saß, das auch der stärkste Regen nicht durchdringen konnte, und behandelte die großen Striemen auf seinem Rücken mit Jodtinktur und Penicillinpuder.
    »Ich fühle mich schon wieder wie ein Hundertjähriger«, sagte Haller. »Morgen werde ich achtzig sein, übermorgen sechzig – wenn ich bei vierzig angelangt bin, mische ich mich unter die Tiger und belagere Nongkai! Einmal wird Karipuri herauskommen!«

Aber Dr. Karipuri vermied es, auch nur einen Schritt vor die Palisaden zu setzen. Solange alle Suchtrupps ohne Haller zurückkehrten, war es ihm völlig klar, in welcher Gefahr er lebte.
    »Diesen Fehler, Haller am Leben zu lassen, werden Sie nie wiedergutmachen können«, sagte er nach einer Woche zu Taikky. »Ich habe Ihre plötzlichen Skrupel nie begriffen.«
    »Es war ein taktischer Zug, wegen der anderen Ärzte«, antwortete Taikky unwirsch. »Gäbe es keine taktischen Fehler, gäbe es auch keine verlorenen Schlachten. Gut, ich habe eine Schlacht verloren. Aber den Krieg gewinne ich! Dr. Haller wird nie mehr aus dem Dschungel herauskommen, er wird dort verfaulen. Was wollen wir mehr?«
    Um die gleiche Zeit hockten Haller und Siri seitlich der Dschungelstraße und außerhalb der Sichtweite von Nongkai in einem Baum und warteten. Sie hatten zwei Packsäcke über sich in einer Astgabel liegen, trugen feste Schuhe und saubere Kleidung. Minbya, Manoron, Pala und einige andere Kranke hatten durch den unterirdischen Gang alles aus Nongkai herausgebracht, was man zu einer langen Reise brauchte. Dann hatte Minbya Siri und Dr. Haller umarmt, auf beide Wangen geküßt und war wieder untergetaucht in der Erdröhre.
    Um elf Uhr vormittags erschien der kleine Lastwagen der Militärstation von Homalin an der Biegung der Straße. Dr. Haller rutschte aus dem Baum, fing Siri auf, die ihm nachsprang, und trat dann mitten auf die Straße.
    Kreischend bremste der Wagen. Drei Soldaten sprangen aus den aufklappenden Türen, rollten sich

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