Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Entwicklungshilfe zu übernehmen.«
    »Scheiße!« sagte Haller leise. »Weiter …«
    »Sie sagen es, Doc. Ihr Land, Deutschland, hat einen Entwicklungshilfevertrag mit Birma abgeschlossen und unter anderem auch Nongkai als besonders förderungswürdig auf die Liste gesetzt. Das heißt …«
    »… es sind deutsche Ärzte und Schwestern unterwegs!« Haller riß Donyan das Glas aus der Hand. »Whisky, Siri!«
    »Chandra!« sagte Siri ganz leise.
    »Whisky!« schrie er. »Randvoll! Wenn man mich in den Arsch tritt, und ich kann mich nicht wehren, will ich mich wenigstens betäuben!«
    »Keiner tritt Sie in den Arsch, Doc!« Donyan wischte sich den Schweiß vom Gesicht. »Die Regierung entläßt Sie in allen Ehren. Mit einer Pension! Und nicht sofort. Sie sollen Ihre Kollegen einarbeiten, man bietet Ihnen in Rangun ein Haus an. Außerdem, so sagt man, ein kranker Mann wie Sie …«
    »Halten Sie doch den Mund!« Haller winkte ab. »Ich bin ein Krüppel, ich muß weg. Das ist alles! Oder irre ich mich?«
    »Sie irren sich, Doc. In Rangun sind Sie weiterhin der große Wundertäter. Messen Sie unsere Dankbarkeit nicht an europäischen Maßstäben! Ihre Ablösung erfolgt auf Wunsch Ihrer deutschen Kollegen. Nach dem Vertrag übernehmen diese Leute die volle Verantwortung für das Lepradorf. Sie kommen mit einem Chefarzt, neun Ärzten und zehn Schwestern. Dazu der hier arbeitende Stamm an Personal – das reicht aus, um Nongkai zu einem Juwel von Hospital zu machen.«
    »Ich verstehe.« Dr. Haller lehnte sich in seinem Rollstuhl zurück. »Nur der Chefarzt ist überflüssig geworden.«
    »So ist es«, sagte Donyan leise. »Darum bin ich zu Ihnen gekommen, unter Verletzung meiner Schweigepflicht.«
    »Sie sind ein guter Kerl, Oberst.« Aus dem Krankenhaus kam Siri mit zwei Gläsern Whisky. Ihr folgten Dr. Butoryan, Dr. Kalewa und Dr. Singhpur, alarmiert von Siris Ausruf: »Chandra will wieder trinken!«
    »Bei Ihnen brennt wohl eine Sicherung durch!« rief Butoryan.
    »Noch nicht!« Haller lachte hart. »Aber sie schmort! Siri, das Glas!«
    »Nein!« rief Dr. Singhpur.
    »Verdammt, ja!« Haller stützte sich auf. Mit einem Ruck stieß er sich ab und stand. Zum erstenmal seit einem Jahr stand er auf seinen eigenen Beinen. Er hob den rechten Arm. Nur mit dem linken stützte er sich noch auf den Holm des Rollstuhls. »Meinen Whisky!« schrie er.
    Die Ärzte starrten ihn entgeistert an. Die Gläser in Siris Händen klirrten.
    Er steht wieder auf seinen Beinen!
    »Jetzt haben Sie einen verdient«, sagte Butoryan. Seine Stimme schwankte. »Und wir alle trinken einen mit.«
    Donyan blieb nur eine Stunde, dann flog er zurück nach Homalin. Allein mit Siri, saß Haller wieder in seinem Rollstuhl. Seine Beine hatten ihm genau neun Sekunden lang gehorcht.
    »Was willst du tun, Chandra?« fragte Siri leise und küßte sein grau gewordenes, struppiges Haar.
    »Hier sitzen bleiben! Nongkai ist mein Werk!« Er schlug mit der Faust auf die Armlehne des Rollstuhls. »Ich lasse mich nicht mehr auf die Straße werfen!«
    Es war ein Tag wie jeder andere in Nongkai, als die lange Fahrzeugkolonne vom Flugplatz Homalin im Lepradorf eintraf. Militär, an der Spitze Donyan, finster, wortkarg, geradezu unhöflich den deutschen Ärzten gegenüber, junge Schwestern mit ihrer Oberin, dazu weitere Leprakranke, die man der Einfachheit halber gleich mitgegeben hatte. Niemand beachtete die Ankömmlinge. Auch Bürgermeister Minbya begrüßte sie nicht.
    Vor dem Hospital hielt der Jeep, in dem Donyan und zwei Ärzte saßen, die mit hochgezogenen Augenbrauen die Hütten musterten. Es schien in ihren Augen alles sehr primitiv zu sein.
    »Das ist ein Musterdorf?« fragte einer der Ärzte, als sie ausstiegen. Donyan wies sie sofort zurecht:
    »Wir sind hier im Dschungel, nicht auf der Königsallee!«
    »Aha! Sie kennen Düsseldorf?«
    »Nein, aber das ist ein Ausspruch von Dr. Haller!«
    Der Name schien unangenehm zu wirken. Die Ärzte blickten hinauf zur Veranda. Dort saß Doktor Haller in seinem Rollstuhl, Siri stand hinter ihm. Durch die offene Flügeltür sah man im Vorraum des Hospitals die anderen Ärzte in ihren weißen Kitteln stehen, die meisten mit den Händen in den Taschen.
    »Na, dann wollen wir mal!« sagte einer der Ärzte und nahm seinen Tropenhelm ab. »Einen besonders begeisterten Empfang scheint es hier nicht zu geben.« Er sprang die paar Stufen hinauf und deutete vor Haller eine knappe Verbeugung an.
    »Muthesius.«
    »Haller.«
    »Man hat

Weitere Kostenlose Bücher