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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich ein flottes Leben, nur war seine Kapitaldecke nicht so groß wie die seiner Playboy-Vorbilder. Abbruch des Studiums also, vor zwei Jahren Tod der Mutter durch eine zu spät erkannte Pneumonic. Und immer hatten Sie den Kopf oben, nie ließen Sie sich unterkriegen, immer waren Sie der dominierende Teil der Familie. Vor einem halben Jahr heiratete Ihr Bruder. Damit war für Sie der Weg frei in die weite Welt. Sie entschieden sich für Birma und die Lepra.« Der Birmese verbeugte sich galant. »Ich vergaß leider, mich vorzustellen. Mein Name ist Hanyan.« Er hatte Bettina aus dem Wagen gezogen. »Ist der Lebenslauf lückenlos? Und da sagen Sie, Sie wären kein mutiges Mädchen! Sie sind eine Frau, vor der ein Mann Komplexe bekommen könnte.« Er machte eine weit ausholende Geste. »Das also ist das ›Haus der sieben Sünden‹. Vor fünfzig Jahren baute es ein reicher Kaufmann für sich und seine sieben Geliebten. Man muß damals ruhiger gelebt haben, um diese Potenz zu behalten.« Er lächelte breit. »Verübeln Sie mir diesen kleinen Scherz nicht, Miß Berndorf …«
    »Und was ist es heute?« fragte Bettina leise. Sie lehnte sich an die Kühlerhaube. Die Dunkelheit dieser Nacht, die vom Konzert der Ochsenfrösche beherrscht wurde, war erdrückend.
    »Heute lebt hier der Henker unserer Interessengemeinschaft mit zwei Gehilfen.«
    »Ein – Henker?«
    »Mit Europäern kann man sprechen. Sie lösen große Probleme durch lange Verhandlungen, oder sie lösen sie nicht. Dann kommt es eben zu keinem Abschluß der Verhandlungen. Diese Art von Kompromissen liegt uns nicht. Bei uns geht es immer um klare Entscheidungen. Man sagt ja oder nein. Und wenn unsere Interessengemeinschaft ja zu etwas sagt, und der Partner antwortet mit nein, dann fahren wir ihn zu dem ›Haus der sieben Sünden‹, und er sagt ja. Es ist allerdings immer sein letztes Wort. Darf ich vorangehen, Miß Berndorf?«
    Hanyan näherte sich einer Tür, die mit Lackmalereien übersät war. Sie stellten eine drastische erotische Szene dar. Und hinter diesen Bildern tat ein Henker seine Arbeit?
    Die Tür schwang lautlos auf, rotes, gedämpftes Licht fiel in den großen Innenhof. Mit steifen Beinen folgte Bettina dem Birmesen, betrat eine Art geräumiger Diele und zuckte zusammen, als hinter ihr die Tür leise zufiel. Eine Tür ohne Klinke. Wahrscheinlich hatte sie ein ferngesteuerter Mechanismus geöffnet und wieder geschlossen.
    »Hier entlang, bitte.« Hanyan lief voran, stieß eine andere Tür auf, und als diese Tür aufsprang, zerriß die Stille, und lautes Stöhnen erschreckte Bettina. Sie wich zurück an die seidenbespannte grüne Wand. Das Stöhnen wurde zu einem unmenschlichen Brüllen, unterbrochen von klatschenden Schlägen.
    »Man verhandelt gerade«, sagte Hanyan gemütlich und rieb die manikürten Finger aneinander. »Es ist der Ladenbesitzer Siem Mong, ein Kambodschaner. Ein dummer Mensch, uneinsichtig und habgierig. Wir haben ihm ein Beteiligungsgeschäft an seinem Handel vorgeschlagen, er sagte nein. Er kann sein Geschäft aber gar nicht allein führen. Und das erklären wir ihm jetzt. Bitte …«
    Hanyan winkte zur Tür. Bettina schüttelte den Kopf. Grauen verkrampfte ihre Kehle, sie erstickte fast daran. Der elegante Birmese kam zurück, faßte sie hart an, stieß sie vor sich her, und als sie sich kurz vor der Tür gegen ihn stemmte, hob er sie hoch. Er war trotz seiner kleinen, schlanken Gestalt von erstaunlicher Kraft und trug Bettina ohne sichtliche Anstrengung zum Eingang des Zimmers.
    Es war ein großer, heller Raum. Gläserne Lüster leuchteten von der Decke, die mit Edelhölzern getäfelt war. Die Wände waren, wie anscheinend überall in diesem Haus, mit grüner Seide bespannt. Sonst war der Raum leer bis auf eine Art Maschine, die mitten in ihm stand. Es war ein Holzgestell, und es gehörte sicher viel Phantasie dazu, so etwas zu konstruieren. Es war ein Mehrzweckgerät.
    Mit ihm konnte man einen Menschen auf verschiedene Art, langsam, schnell oder in Etappen, zu einem unförmigen Gebilde verwandeln. Sogar eine kombinierte Guillotine war in das Gerät hineingebaut: Sie konnte entweder eine Hand, einen Fuß oder den Kopf abhacken oder alles zusammen mit einem Schlag.
    Im gegenwärtigen Zeitpunkt hatte der Henker der Interessengemeinschaft den Kaufmann Siem Mong mit ausgestreckten Armen an einer Art Reck hängen, die Füße steckten in zwei Rollen, ähnlich einer Wäschemangel, und während sie bearbeitet wurden, stand der Henker

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