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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fahlbleich an den Wänden und warteten auf das große Drama von Nongkai.
    Taikky hatte sich vorgenommen, den Untergang des Dorfes wie ein erhabenes Schauspiel mitzuerleben. An seinen eigenen Tod dachte er nicht. Auf seinen Knien lag, durchgeladen und schußbereit, seine Maschinenpistole. Von der Veranda aus konnte er jeden der Leprösen sehen, die auf ihren Leitern standen. So würde er auch sofort bemerken, wenn jemand sich zur Verwaltung wandte, um ihn mit infizierten Pfeilen zu beschießen.
    Er war schnell, wenn es die Umstände geboten, und er war ein guter Schütze. Er war bereit, wie ein Held unterzugehen: mit einer Maschinenpistole und seinen geliebten Früchten. Die Möglichkeit, das Dorf noch zu verlassen, bestand nicht mehr. Nachdem Dr. Karipuri den Regierungstruppen entgegengefahren war, war das Tor geschlossen und Nongkai zur Festung geworden.
    »Wenn Sie glauben, ich zittere vor Angst«, hatte Taikky zu Dr. Haller gesagt, »dann sind Sie ein Phantast. Mich beruhigt eins: Wir werden zusammen leben oder zusammen sterben. Keinesfalls wird einer von uns beiden allein übrigbleiben.«
    »Wir werden beide überleben!« hatte Haller geantwortet. »So einen billigen Tod, der Ihnen auch noch einen Glorienschein einbringt, gönne ich Ihnen nicht. Sie sollen durch die Mühle der Verhöre gedreht werden, bis Ihnen Ihr Fett pfundweise von den Knochen fällt!«
    Das beruhigte Taikky ungemein. Er trank eiskalten Whisky und machte es sich in seinem Korbstuhl bequem. Er hatte Freunde bis hinauf in die höchsten Regierungsstellen. Wenn er den Untergang Nongkais überlebte, würde er in jedem Fall der Sieger sein.
    Als vom Dach der Kirche der dumpfe Ton des Riesenkürbis das große Sterben ankündigte, schälte Taikky mit ruhiger Hand einen Apfel, zerteilte ihn in kleine Stücke und begann mit Genuß zu essen.
    In diesem Augenblick schwang das Tor auf, der Hospitaljeep kam hereingefahren, ein Offizier sprang heraus, und Karipuri fuhr mit Vollgas weiter zur Verwaltung. Mit großen Sätzen lief er die Treppe zur Veranda hinauf.
    »Sie sitzen hier und fressen!« schrie Karipuri wenig ehrfurchtsvoll. »Sie sollten sich lieber sofort aufhängen! Nehmen Sie ein Nylonseil, das reißt nicht bei Ihrem Gewicht.«
    »Warum die Aufregung, Ratna?« Taikky spülte einen Apfelrest mit einem Schluck Orangensaft hinunter. Hinter der Sonnenbrille verschwanden seine Augen völlig. Niemand konnte ahnen, was er in diesem Moment dachte. »Das Militär ist da. Nun wird sich zeigen, wie weit der ganze Bluff geht.«
    Karipuri schrie wütend: »Jawohl, das Militär ist da! Major Donyan.«
    »Ein guter Freund!«
    »Und was für einer! Er ist keineswegs hier, um die Rebellen zur Räson zu bringen, sondern – das habe ich eben erst erfahren –, um dreihundert Kisten Medikamente abzuladen! In den Lastwagen sitzt keine Kompanie Soldaten, sondern da lagert alles, was Haller angefordert hat. Die Soldaten sind nichts weiter als ein Transportkommando! So, nun fährt Ihnen wohl endlich die Angst in die Knie! Haller hat auf der ganzen Linie gesiegt! Der Gesundheitsminister läßt ihn sogar grüßen.«
    Taikky mixte einen Fruchtsaft mit Gin und trank ihn bedächtig. Seine Selbstbeherrschung war grandios. Das massige Gesicht mit den Hängebacken blieb unverändert, nicht einmal die Lippen zeigten eine Reaktion.
    »Wie fabelhaft für Dr. Haller«, sagte er. »Jetzt kann er seinen Traum von einer Musterleprakolonie verwirklichen. Ich freue mich.«
    »Sind Sie verrückt geworden?« stotterte Karipuri. »Sie liefern uns diesem Burschen aus! Man wird von uns einen Bericht verlangen, was wir sechs Jahre getan haben. Einen ehrlichen Bericht.«
    »Davor haben Sie Angst?« Taikky lächelte milde. »Wir haben bis zur Selbstaufopferung den Kranken gedient. Wir haben alle bisher gelieferten Medikamente verbraucht, bis zur letzten Pille, zum letzten Tropfen, zur letzten Ampulle, bis zur letzten Mullbinde. Als Dr. Haller hier eintraf, waren wir blank. Restlos blank. Was Haller dann anforderte, war nichts anderes, als was ich auch angefordert hätte. Haller ist mir nur ein paar Stunden zuvorgekommen. Meine Liste liegt fertig im Büro, jederzeit einsehbar. Sie noch abzuschicken, hätte bei der Intelligenz unserer Beamten nur Verwirrung gestiftet. Und das regt Sie so auf?«
    »Sie sind ein Genie, Taikky«, sagte Karipuri mit ehrlicher Bewunderung. »Ich habe Sie doch unterschätzt.«
    »Alle unterschätzen mich. Das ist die Tragik meines Lebens. Am meisten unterschätzt mich

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