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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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war ein weißer Fleck mit eng schraffierten Höhenlinien – die letzte halbe Stunde war es ständig auf und ab gegangen. »In der Mitte von Irgendwo.«
    »Nicht ganz. Da ist ein Wasserlauf«, sagte Henrickson und zeigte auf eine mäandernde Linie. »Was glauben Sie, sind wir weit genug gekommen, dass das Ihre Schlucht sein könnte?«
    »Ich weiß es einfach nicht. Schauen wir nach.«
    »Dann machen wir das doch.«
    Gut zwanzig Minuten später hörten sie ein gurgelndes Geräusch. Sie bogen um eine Felswand und entdeckten einen etwa ein Meter breiten Wasserlauf, der an Steinen vorbei zwischen flachen, bemoosten Ufern floss.
    Tom schüttelte den Kopf. »Nein, das ist es nicht. Außerdem schmerzt mich mein Knöchel wieder.«
    Henrickson schaute den Fluss hinauf. »Weiter oben könnten die Ufer steiler sein.«
    »Vielleicht.« Tom kam sich dumm vor, obwohl ihm die Aufgabe von Anfang an kaum lösbar erschienen war und er den Journalisten gewarnt hatte. »Ich weiß es nicht.«
    Henrickson wirkte noch so fit und entspannt wie zu Beginn, hatte aber seit geraumer Zeit nicht mehr sein breites Grinsen aufgelegt. »Ich weiß, was Sie denken«, sagte er beschwichtigend. »Kein Problem. Wie Sie richtig geschlossen haben, will ich diesen Burschen um jeden Preis aufstöbern. Was bliebe mir sonst übrig? Soll ich zurück in die Stadt und meine Zeit im Stau vertrödeln? Da bin ich doch lieber hier draußen zu Fuß unterwegs. Folgen wir also dem Fluss. Wir suchen nach einer Schlucht, und laut Karte gibt es hier in der Nähe nichts anderes. Aber zunächst bin ich reif für einen Kaffee.«
    Tom wollte den Rucksack von den Schultern wuchten, doch Henrickson bedeutete ihm, sich nicht zu bemühen. »Das mach ich schon.«
    Er löste die Verschlüsse und fuhr mit der Hand in Toms Rucksack. »Vorsicht«, warnte ihn Tom, »da sind vielleicht noch Glasscherben drin.«
    »Gut, ich passe auf. Aber warum eigentlich Scherben?«
    »Da drin waren ein paar zerbrochene Flaschen von dem Trip in die Wildnis. Ich habe den Rucksack nicht richtig sauber gemacht. Irgendwo auf dem Grund könnten noch Scherben sein …«
    Er merkte, dass der andere gar nicht zuhörte und dessen Hände auch gar nicht mehr in seinem Rucksack waren. »Sie haben sich doch nicht wehgetan?«
    Keine Antwort. Tom drehte sich um und sah, wie Henrickson etwas in der Hand hielt. Es war nicht die Thermoskanne.
    »Was ist das denn?«
    »Das müssten eigentlich Sie wissen. Es war in Ihrem Rucksack.«
    Tom schaute genauer hin und sah ein Büschel vertrockneter Pflanzen. »Keine Ahnung.«
    »Hat vermutlich nichts zu bedeuten. Muss Ihnen wohl in den Rucksack gefallen sein.«
    Er schaute zu Tom auf, und diesmal ging ein Grinsen von einem Ohr zum anderen. »Na, machen wir uns wieder auf die Socken? Auf, du junger Wandersmann.« Während sie beim Gehen heißen, gesüßten Kaffee tranken, fiel Tom auf, dass der andere noch kräftiger ausschritt als vorher.
    Vierzig Minuten später waren sie über hundert Höhenmeter gestiegen. Vorbei an Felsvorsprüngen folgten sie dem Wasserlauf bergauf. Doch die Ufer wurden nicht steiler. Diesmal hielt der Journalist an.
    »Das gefällt mir nicht«, kommentierte er. Er holte wieder die Wanderkarte hervor. »Wir dürften jetzt ungefähr hier sein« – er zeigte auf einen anderen weißen Fleck auf der Karte –, »und das ist östlicher, als ich eigentlich kalkuliert habe. Nach dem, was Sie gesagt haben.«
    »Was ist das da für eine schwarze Linie?«
    »Eine Straße. Durchaus möglich, dass Sie die verfehlt haben, als Sie nach dem Rückweg gesucht haben. Aber schauen Sie, die Schraffuren da. Offenbar geht es dort bergab. Sicherlich wären Sie in diese Richtung gegangen, und dann hätten Sie nicht zwei Tage gebraucht, um in die Zivilisation zurückzukehren. Folglich … Aber was ist denn los? Fehlt Ihnen was?«
    Tom stand mit halb offenem Mund da. Er schloss ihn langsam wieder und sprach dann zögernd. »Tja, also …«
    »Da nagt etwas an Ihnen, wie mir scheint. Das ist nicht gut für die Verdauung.«
    »Die Frau. Patrice. Die mit den Stiefeln.«
    »Was ist mit der?«
    »Sie war hier. Sie sah meinen Rucksack und – so behauptet sie jedenfalls – hinterließ auch die Fußspuren. Connelly sagte, sie wohne auf einem Grundstück dort oben im Wald. Das würde bedeuten …« Er sprach nicht weiter.
    »Dass sie weiß, wo die Stelle war, und uns möglicherweise dorthin führen könnte. Wollten Sie das sagen, Tom?«
    Tom nickte.
    »Haben Sie wirklich nicht

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