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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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gesehen hat. Dort setzen wir uns hin und warten.«
    »Meinen Sie, dass die einfach vorbeikommen?«
    »Nein. Aber sie bedeuten Ihnen viel. Daraus schließe ich, dass auch Sie Ihren zotteligen Freunden nicht gleichgültig sind. Wenn die wissen, dass Sie hier sind, statten sie Ihnen vielleicht einen Besuch ab.«
    »So, als ob ich eine große Bärenmutter wäre? Na schön. Meine eigenen Kinder haben mich seit anderthalb Jahren nicht besucht.«
    »Patrice, Sie gehen mir mit Ihrer negativen Einstellung langsam auf die Nerven.«
    »Die werden merken, dass ich nicht allein bin.«
    »Selbstverständlich. Vor allem, wenn ich Ihnen etwas tue. Wir kennen uns erst kurz, aber ich habe schon gemerkt, dass Sie die Zähne zusammenbeißen können. Doch Ihre Freunde werden Ihren Schmerz auf andere Weise spüren. Und dann kommen sie.«
    Patrice sah entsetzt zu Boden.
    »Ich habe geahnt, dass jemand kommen würde«, sagte sie schließlich. »Aber ich dachte, es würde nur ein Jäger sein. Irgend so ein Kerl mit Flinte, der eine Trophäe heimbringen oder in den Abendnachrichten auftreten möchte. Aber so einer sind Sie nicht.«
    »Nein«, bestätigte er, »so einer bin ich nicht.«
    »Wer sind Sie dann?«
    »Ich heiße Paul«, sagte er. »Manchmal werde ich auch Upright Man genannt. Ich tue nur, was getan werden muss.«

27
    I ch hatte tatsächlich eine Weile geschlafen. Das scheint unglaublich, aber wie der Kriminelle in seiner Haftzelle vorübergehend einschläft, nachdem die körperliche Anspannung in der Haft, aus der es kein Entkommen mehr gibt, nachgelassen hat, so war auch ich wegen der Fesselung von allem Tatendrang erlöst.
    Wieder wach, war es damit allerdings vorbei. Es war schlimmer als vorher. Nun hatte ich den Kopf frei zum Denken, und ich dachte an Flucht. Ich versuchte, mit dem Stuhl zu kippeln. Als durch eine brüske Bewegung meines Rückens der Stuhl und ich mit ihm um ein Haar vornüber gekippt wären – wobei ich mir das Gesicht demolieren, wenn nicht den Hals hätte brechen können –, gab ich es auf. Schließlich bin ich nicht Jackie Chan.
    Untätig herumzusitzen war aber keinesfalls besser.
    Ich beobachtete, wie es hinter den Vorhängen immer heller wurde, ich hörte Geräusche der erwachenden Welt draußen: knirschender Kies unter Autoreifen, fernes kurzes Gelächter, Klappern, Piepsen und Husten. Dabei brannte meine Schulter wie Feuer, und auch der Schmerz in der Kreuzgegend nahm langsam, aber stetig zu. Ich starrte den Radiowecker an und wünschte mir, die Minuten würden rascher vergehen – bisweilen dachte ich schon, der Wecker wäre stehen geblieben, so lange brauchte er, bis die nächste Ziffer erschien –, aber wenn die neue Anzeige dann kam, änderte sich nichts.
    Endlich, die Uhr zeigte 12  Uhr 51 , war das lange Warten vorbei.
    Nina brach die Tür auf und trat ein, begleitet von zwei Männern, die ich vorher noch nie gesehen hatte.
     
    »Kein Zweifel, er sah genauso aus wie Sie«, sagte der Größere der beiden. Er war mir als Sheriff Connelly vorgestellt worden. Der andere hieß Phil, war jünger und munterer und hatte rotblonde Haare. »Aber offenbar sind Sie ein anderer.«
    »Er heißt Paul.«
    »Zeugen haben gehört, dass Mr. Kozelek ihn Jim genannt hat.«
    »Er könnte den Namen Henrickson benutzt haben.«
    Connelly nickte zur Bestätigung. »Ja, das hat er.«
    Phils Augen weiteten sich. »Und der Mann ist ein Serienmörder?«
    »Und was für einer.«
    Wir waren auf der Polizeiwache. Man hatte uns Kaffee gemacht. Meine Hände waren noch taub, ich hatte Mühe, die Kaffeetasse zu halten. Nina ging es nicht besser. Das Zimmermädchen im Motel hatte auch sie gefesselt gefunden und sofort die Polizei geholt, ohne sie vorher zu befreien. Sie sah blass und schmal aus. Ich wollte unbedingt John Zandt finden und ihm eine reinhauen, und zwar nicht nur wegen vergangener Nacht.
    In einer halben Stunde gaben wir den Polizisten einen sehr knappen Bericht von dem, was vorgefallen war und was wir darüber wussten.
    In dieser Version war es nicht John, sondern der Upright Man, der uns gefesselt hatte. Nina gab an, eine FBI -Agentin zu sein, überzeugte aber den Polizeichef, das Büro nicht zu verständigen. Vorerst. Eine Ärztin war gekommen, hatte mir freundlich lächelnd einen Verband um die Schulter gemacht und war dann wieder gegangen. Meine Augen waren trocken und brannten, auch war das Licht in der Wachstube sehr hell.
    Phil schüttelte den Kopf. »Ach du Scheiße.«
    »Was will er hier in

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