Engel des Todes
Streifenwagen und wartete auf seinen Kollegen Chris Peterson, der auf der anderen Seite der Straße Kaffee holen gegangen war. Officer Peterson brauchte etwas länger, denn er gönnte sich am Kaffeestand auch etwas zu essen, wovon, wie er hoffte, Ryan nichts ahnte; doch nach zwei Jahren kannte der den Mann, mit dem er im selben Streifenwagen fuhr, in- und auswendig. Chris hatte nun schon seit sechs Wochen fast jeden Morgen ein heimliches Frühstück eingelegt, weil seine Frau nach einer geheimnisvollen Diät lebte – manches durfte man essen, manches nicht, aber nie viel und nie zwei Dinge auf einmal –, mit der Folge, dass überhaupt nichts Essbares mehr im Haus war. Er hatte sich damit abgefunden und sich seiner Frau mehr oder weniger angeschlossen, obwohl er sich als Diät haltender Streifenbeamter wie ein Depp vorkam (und den Spott der anderen herausforderte, besonders den der Kolleginnen). Wenn er also nach einer Gelegenheit suchte, vor dem Dienst noch rasch ein Teilchen hinunterzuschlingen (und das tat er gewiss, denn er rieb sich immer die fettigen Finger an der Hose ab, wenn er zurückkam, und außerdem holte er jetzt immer jeden Morgen freiwillig Kaffee, während man ihn früher erst treten musste, bis er sich aus dem Wagen bequemte), dann bestand für Ryan kein Grund, viel Aufhebens davon zu machen. Er wusste selbst, wie das mit Ehefrauen war. Während er im Auto saß und wartete, die Augen blinzelnd gegen das schräg einfallende Licht gerichtet, war er im Geheimen dankbar für die fünf Extraminuten, um seine Gedanken auf die Reihe zu bringen. Er war müde, seine Augen waren trocken, und der Rücken tat ihm weh. Er hatte mit Monica bis drei Uhr früh geredet. Für sie gab es nur ein Thema, über das sie immer in gleicher Weise und immer ohne Resultat diskutierten. Nicht, dass er keine Kinder wollte, im Gegenteil. Aber sie hatten es nun schon seit zwei Jahren Monat für Monat versucht, und die Übung verlor allmählich ihren Reiz. Egal, wie sehr man die Ehefrau liebt oder wie attraktiv man sie nach wie vor findet, allein die Tatsache, zu festgelegten Zeiten die geforderte Leistung erbringen zu müssen, und zwar genau dann und nur dann, so dass für den Rest des Monats der Drang danach gegen Null tendiert, lässt den Gedanken, das Ganze auch als Vergnügen betrachten zu können, ersterben. Es wurde zum Job, und er hatte doch schon einen. Zugegeben, auch da ließ der Erfolg auf sich warten, aber immerhin konnte er sich Hoffnungen machen und war nicht durch biologische Zwänge von jedem Vorankommen ausgeschlossen. Er hatte sich ohne zu schleimen mit einem Detective angefreundet. Er hörte den Ermittlern zu und versuchte zu verstehen, wie sie dachten und wie sie vorgingen. Dass sein alter Herr nie Erfolg gehabt hatte, hieß nicht, dass es bei ihm genauso sein musste. Er hatte es bei anderen gesehen. Man brauchte nur zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, etwa wenn eine große Nummer geschnappt wurde, und schon wurde man zu einem Team abgeordnet. Plötzlich war man kein Streifenpolizist mehr, der Schaufenster überprüfte oder Ehekräche schlichtete (Ryan kannte sich mit Ehefrauen aller Schattierungen aus, und er hatte auch viel über Ehemänner gelernt) oder Junkies durch dunkle Gassen jagte, während das übrige Gelichter aus dem Versteck heraus johlte und Flaschen nach ihm warf. Wenn man erst einmal zu einem Ermittlungsteam gehörte, war der Schritt nicht mehr weit, die Uniform ganz loszuwerden. Es war lediglich eine Frage von harter Arbeit und ein bisschen Glück, und keines von beidem machte Ryan Angst. Nein, was ihn fertigmachte, waren die Geschichten, bei denen es auf Arbeit nicht anzukommen schien, bei denen das Quentchen Glück fehlte, und das konnte man keinem verständlich machen, der die Welt so sah, wie sie sein sollte, und nicht, wie sie tatsächlich war. Monica verlor immer die Fassung, wenn sie auf das Thema kamen, und er warf ihr das nicht vor. Auch ihn machte es traurig und depressiv. Er wünschte sich so sehr, Vater zu sein, immer schon. Er hatte sogar erwogen, den Scheiß mit dem Reagenzglas zu versuchen, mal angenommen, sie könnten sich das überhaupt leisten. Das hatte er letzte Nacht angedeutet, erkundigen könne man sich ja, und das hatte ein bisschen geholfen, aber dann kamen sie auf die Frage, wie sie das jemals finanzieren sollten, und so schien das Ganze ein aussichtsloses Unterfangen zu bleiben. Er sagte, vielleicht könnten sie es sich leisten, wenn sie darauf sparten, ein
Weitere Kostenlose Bücher