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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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Eine regelrechte Furcht ergriff ihn, etwas tief in seinem Innern könnte kaputtgegangen sein. Er schaute nach oben und sah, dass sich der Himmel weiter verdüsterte. Es sah aus, als würde es wieder schneien, und diesmal heftig.
    Was sollte aus ihm werden?
    Selbst wenn genügend Tabletten übriggeblieben wären, glaubte er doch nicht, dass er sie schlucken könnte. Er zweifelte überhaupt an seiner Fähigkeit, irgendetwas zu unternehmen. Da war kein Ausweg in Sicht. Er konnte nichts tun außer dazusitzen – aber wie sitzen, wenn ihm so elend war? Der Wodka würde ihn wenigstens von innen wärmen. Die Vorstellung hatte überhaupt nichts Anziehendes. Im Licht relativer Nüchternheit musste er zugeben, dass er seinen Wodka lieber in moderaten Mengen, mit Tonic Water, einem Limettenscheibchen und vor allem
an einem warmen Plätzchen
getrunken hätte. Doch das hatte er alles nicht. Stirb wie ein Mann, hatte er in Sheffer gedacht. Oder etwas in dieser Art. Er konnte sich wirklich nicht mehr daran erinnern. Es schien sehr lange her zu sein.
    Er rutschte auf den Knien weiter, einen Arm immer noch auf dem Bauch, als ob das helfen könnte. Mit zitternder Hand griff er nach dem Rucksack. Ein Zittern wie nach einer durchzechten Nacht. Kein Grund zur Sorge. Oder? Kein Symptom, dass das ganze System bald zischend und qualmend wie ein defektes Elektrokabel seinen Geist aufgäbe.
    Als er den Rand des Rucksacks berührte, hielt er plötzlich inne.
    Er zog die Hand zurück. Irgendetwas stimmte da nicht. Da klebte etwas an dem zerbrochenen Glas oben im Rucksack. Der stumpfe, früher einmal glänzende Farbton kam ihm bekannt vor. Er hatte einiges davon auf dem Rücken seiner Hand.
    Blut?
    Er rutschte stöhnend näher heran. Das sah tatsächlich wie angetrocknetes Blut aus. Ein paar Spritzer. Er hob die Hände: keine neuen Schnitte. Das hätte er selbst bei dieser Kälte gemerkt. Er war auch ziemlich sicher, dass er sich in der vergangenen Nacht nicht geschnitten hatte. Warum hätte er die Hand in die Glasscherben stecken sollen?
    Er drehte den Rucksack um. Unter Geklirr fiel sein Inhalt zu Boden. Glasscherben, in der Kälte zusammengefroren. Eine noch heile Packung Tabletten. Pflanzenteile, die er vermutlich bei seinem wilden Gestolper abgerissen hatte. Und eine letzte Schnapsflasche, noch ganz.
    Außerdem weitere rotbraune Flecken auf einer Glasscherbe.
    Tom hob die Scherbe vorsichtig auf. Es war Blut, aber mit Sicherheit nicht seines. Er hatte den Rucksack in der Nacht zuvor ausgeschüttet, um an alles Nötige zu kommen. Er hatte gar nicht hineingegriffen.
    Aber ganz offenbar der Bär.
    Essbares konnte das Tier nicht gewittert haben – Proviant war nicht drin gewesen, auch früher nicht –, aber der Schnapsgeruch musste überwältigend gewesen sein. Vielleicht kannte der Bär den Geruch schon vom Stöbern in Abfalleimern am Rande kleiner Ortschaften. Deshalb hatte er sich wohl auch nicht auf ihn gestürzt. Er war scharf auf den Schnaps gewesen.
    Tom legte rasch die Glasscherbe beiseite. Was in der Nacht geschehen war, darüber hatten Kater, Dunkelheit und ein paar Stunden unruhiger Schlaf das Tuch des Vergessens gebreitet. Doch hier stand es jetzt vor seinen Augen.
    Er war um ein Haar von einem Bären angefallen worden.
    Um Gottes willen.
    Er erhob sich wieder. Das war kein Ort zum Verweilen. Er wollte nicht mehr hier sein, wenn so eine Bestie wieder den Schnapsgeruch witterte und sich entschloss, noch einmal vorbeizuschauen. Er holte die heile Flasche aus dem Scherbenhaufen und steckte sie in den Rucksack. Schon zum Gehen gewandt, sah er auf halber Höhe etwas in den Zweigen hängen.
    Er brauchte eine Weile, bis ihm klar war, dass es sich um Haare handelte. Ziemlich lange, dunkelbraune Haare. Ein paar Strähnen hatten sich in den dünnen Zweigen des Gesträuchs verfangen.
    Er versuchte, sich einen Bären vorzustellen. Bären hatten kein kurzes Fell wie Katzen, das war ihm klar, aber diese Haarsträhnen maßen gut fünfzehn bis zwanzig Zentimeter. War das möglich? Hatten Bären ein solch langes Fell?
    Tom spürte plötzlich ein heftiges Verlangen, von hier wegzukommen, ganz gleich, wie. Er würde dazu das Letzte aus seinem Körper herausholen.
    Er verließ die Stelle, an der er sich in der Nacht zuvor niedergelassen hatte, und suchte seine Taschenlampe. Da sah er die Fußspuren im Schnee und wusste schlagartig, dass es doch kein Bär gewesen war.

4
    I n North Hollywood saß Officer Steve Ryan kurz nach acht Uhr in einem

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