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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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Handy sein wollen. Das musste hart im Nehmen sein.
    Sie trank den restlichen Kaffee aus und spürte seinen kritischen Blick. »Was gibt’s, Charles?«
    »Wie geht’s Ihrem Arm?«
    »Danke, gut«, sagte sie verstimmt. Denn er wollte nicht wissen, wie es ihrem Arm ging. Er wollte sie daran erinnern, was noch alles zu tun war, und auf die Tatsache anspielen, dass ihre gemeinsame berufliche Beziehung eine Wendung zum Schlechteren genommen hatte. Sie verstand die Anspielung. »So gut wie neu.«
    Es schien, als wollte er noch etwas sagen, doch dann bekam er einen Anruf auf seinem Handy und wandte sich ab, schon wieder mittendrin in der Ermittlungsarbeit. Daran sah man wieder einmal, was für ein hervorragender FBI -Mann ihr Vorgesetzter Monroe doch war. Diszipliniert und immer auf der Höhe der Anforderungen.
    Während Nina ihm folgte, schaute sie zum x-ten Mal auf ihr Handy, ob eine Nachricht eingetroffen war. Sie sah, dass Zandt endlich eine Kurzmitteilung geschickt hatte. Er schrieb:
    »Ich bin in Florida.«
    »Hol’s der Geier«, fluchte sie halblaut, steckte das Handy wieder in ihre Tasche und trat hinaus in die Hitze.

5
    I ch stieg im Armada an der Powell Street ab, mitten in San Francisco, nicht weit vom Union Square. Das Hotel roch nach Luxus und hatte einen Portier draußen auf dem Bürgersteig, der wie ein spanischer Soldat ausstaffiert war. Touristen, die hier vorbeikamen, ließen sich neben ihm fotografieren, vermutlich, damit sie dann zu Hause ihren Freunden von dem Hotel mit dem Portier erzählen konnten, in dem sie gar nicht gewohnt hatten. Bis ich mich eingerichtet hatte, war es schon zu spät für die wichtige Sache, die ich vorhatte, deshalb ging ich mir ein bisschen die Beine vertreten.
    Beim Spazierengehen dachte ich darüber nach, was ich eigentlich von mir wusste. Es war rasch gesagt: Ich war über fast alles, was mein bisheriges Leben betraf, im Irrtum gewesen. Ich hatte immer geglaubt, als Kind von Don und Philippa Hopkins in Nordkalifornien auf die Welt gekommen zu sein, wo die beiden ein rechtschaffenes und durchschnittlich langweiliges Leben geführt hatten. Sie hatten den Rasen im Garten gemäht, das Auto gewaschen und genügend Konsumartikel gekauft, um die Götter des Kommerzes bei Laune zu halten. Mein Vater baute sich eine Existenz in der Immobilienbranche auf und hatte es, nachdem ich von zu Hause ausgezogen war, zu einigem Erfolg als Makler für Luxusimmobilien gebracht, bis dann beide bei einem Autounfall ihr Leben verloren. Doch als ich am Tag nach ihrer Beerdigung in ihr Haus ging, um zu erkunden, wie ich mit diesem Besitz weiter verfahren sollte, fand ich dort eine geheime Botschaft. Sie war so versteckt, dass nur jemand, der meinen Vater wirklich gut kannte, überhaupt auf die Idee kam, dort zu suchen.
    Die Botschaft hatte schlicht gelautet, dass sie gar nicht tot seien.
    So etwas möchte jeder gern hören – jeder, dessen Beziehung zu den Eltern nur durch die schiere Entfernung getrübt war –, und es brachte mich dazu, einen ganzen Nachmittag lang das Haus von oben bis unten zu durchsuchen. Ich stieß auf eine Videokassette, die mein Vater mit Klebeband in einem Rekorder in seinem Arbeitszimmer versiegelt hatte. Dieser Videokassette verdanke ich letztlich die Entdeckung, wie sehr ich mich über mein Leben im Irrtum befunden hatte. Im Irrtum oder als Opfer vorsätzlicher Täuschung.
    Ich hatte gemeint, ein Einzelkind zu sein. Eine Sequenz des Videobandes zeigte mich aber mit einem gleichaltrigen Bruder. Dieser Bruder wurde irgendwann gegen Ende der sechziger Jahre auf einer belebten Straße ausgesetzt.
    Ich hatte gemeint, meine Eltern seien bei einem Unfall ums Leben gekommen. Sie waren aber gar nicht meine Eltern, und es hatte sich nicht um einen Unfall gehandelt. Vielmehr waren sie von der Gruppe ermordet worden, zu der vor fünfunddreißig Jahren mein leiblicher Vater gehört hatte. Die Gruppe nannte sich The Straw Men, und ihre Mitglieder hielten sich für den einzigen Teil der Menschheit, der nicht von einem Virus infiziert worden war, der soziales Gewissen statt kaltherzigen Egoismus förderte, von dem sie glaubten, er gehöre eigentlich zu unserer Gattung. Ob sie das wirklich dachten oder ob es ihnen als Vorwand für schlimme Gewalttaten gerade gelegen kam, war nicht klar. Außer Frage stand jedoch, dass die Gruppe über viel Geld und gute Beziehungen verfügte. Ebenso klar war, dass ihr Weichensteller, jemand, der sich Upright Man nannte, der aber eigentlich Paul

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