Engel des Todes
und lehnte sich im Sessel zurück. Er genoss es, hier zu sitzen in seiner ganzen hässlichen Nacktheit. Da draußen strampelte sich ein Unternehmensberater ab, oder ein Anwalt kam mit Akten aus der Kanzlei nach Hause. Er dagegen kraulte sich die Eier und freute sich auf seinen Wodka.
Kann’s kaum erwarten.
War das Sarkasmus? Wohl schon. Egal. Ob sie sich darauf freute oder nicht. Ob sie seinen Körper erträglich fand oder nicht. Ob sie mochte, was er von ihr verlangte – nichts Perverses, er brauchte das nicht, nur das Übliche, aber jung und schön musste sie sein – oder nicht. Alles das spielte keine Rolle. Sie hatte schon vierhundert Dollar von ihm bekommen. Zum Schluss würden es wahrscheinlich fünfhundert sein. Den Betrag konnte Maria ohne mit der Wimper zu zucken für Highheels von Manolo ausgeben, und zwar regelmäßig. So viel kostete es, damit ein Mädchen wie Cherri alles für ihn tat.
Während sie in der Küche rumorte, Wodka in ein Glas goss, dann Eiswürfel dazugab, erwog Pete, ob er sie noch einmal buchen sollte. Obwohl sie wirklich zum Anbeißen war – gerade jetzt, als sie in die Hocke ging, um einen heruntergefallenen Eiswürfel aufzuheben, und einen Augenblick ganz natürlich aussah –, wusste er doch, dass er es nicht tun würde. Jedes Mal etwas Neues zu haben war der springende Punkt. Wenn er es noch einmal mit ihr machen würde, käme die Frage auf, ob es besser oder schlechter als letztes Mal war. Sie würde seinen Namen kennen und wissen, was er gewöhnlich trank, und damit war der Vertrautheit Tür und Tor geöffnet. Er würde anfangen, sich Gedanken über sie zu machen, zum Beispiel, warum sie nicht zuerst die Eiswürfel ins Glas tat oder warum sie nicht gelernt hatte, dass Gin besser mit Limettensaft schmeckt. Und wenn sie heute Nachmittag noch eine Nummer schoben, dann würde er nicht mehr richtig steif werden und sich selbst den Rest geben müssen. Er wusste das schon im Voraus, aber sie nicht. Beim nächsten Mal aber würde auch sie es wissen. Nicht zu wissen, darauf kam es an. Nicht zu wissen und sich um nichts kümmern zu müssen.
Sie war jetzt außerhalb seines Blickfeldes und machte einen fürchterlichen Lärm mit dem Eiskübel. Wozu bloß? Das Glas stand doch bis zum Rand gefüllt auf der Theke. Noch einen Schuss Wodka, und die Eiswürfel würden aus dem Glas … Hallo. Ein Eiswürfel zwischen den Brüsten, das wäre doch mal eine Idee.
Er neigte sich zum Aschenbecher vor und legte die Zigarre ab. Für später. »Baby«, sagte er sanft, »das Eis ist genau richtig. Du kannst den Drink herbringen.« Er drehte sich um.
Im Zimmer stand plötzlich ein Mann.
»Wer sind Sie denn?«, fragte Pete verblüfft.
Dem Lächeln des Mannes entnahm er, dass der andere nicht die Absicht hatte, die Frage zu beantworten. Pete wusste sofort, dass das kein anderer Mieter mit einem Schlüssel für das Liebesnest war. Das Mädchen kam hinter ihm wieder ins Blickfeld und zog sich ihr T-Shirt an. »Ich bin jetzt fertig, ja?«, fragte sie den Mann.
Auch ihr gab er keine Antwort. Ohne Pete aus den Augen zu lassen, packte er sie bei den Haaren. Bevor sie auch nur schreien konnte, stieß er sie mit dem Gesicht gegen die Trennwand. Sie stöhnte und fiel zu Boden.
Pete reimte sich alles blitzschnell zusammen. Das Geräusch im Hausflur; das Gepolter mit dem Eiskübel, weshalb das Öffnen der Tür nicht zu hören gewesen war. Er wusste weder, wer der Typ war, noch, was er wollte, aber er sah jetzt, dass er ein Messer hatte. Ein großes Messer wie das eines Kochs. Nur dass es gar nicht sauber aussah.
Das Zimmer wirkte plötzlich kalt, niedrig und verraucht. Der Mann stieg über das Mädchen und ließ einen Moment den Blick wandern. Pete dämmerte es, dass das eine Chance war, aufzustehen und sich davonzumachen. Doch es schien außerhalb seiner Möglichkeiten. Der Mann war nur wenig über Durchschnitt groß und körperlich in Form. Pete wog viele Pfunde mehr als er und hatte Erfahrung im Austeilen von Schlägen. Nur glaubte er nicht, dass ihm das von Vorteil sein könnte. Er fühlte sich nackt und wehrlos und unfähig, seine Lage zu ändern.
»Sie sind Peter Ferillo, nicht wahr«, sagte der Mann und nahm etwas von der Theke mit. Es schimmerte im Licht, und Pete sah, dass es sich um den zur Küchenausstattung gehörenden Flaschenöffner handelte.
Als ihm der Mann nun direkt in die Augen sah, wich jeder Gedanke an Flucht aus ihm.
»Sie, ich weiß nicht, was hier gespielt wird«, sagte Pete.
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