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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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»Aber ich habe Geld. In meiner Kleidung. Wenn es darum geht.«
    »Es geht nicht um Geld«, erwiderte der Mann. Seine Stimme war ruhig, fast freundlich. Aber nicht seine Augen.
    »Worum dann? Was habe ich getan?«
    »Es geht überhaupt nicht um Sie«, sagte der Mann.
    »Wer sind Sie denn eigentlich?«
    »Mein Name ist … Upright Man.«
    Der Mann beobachtete Petes Miene und wartete auf eine Reaktion. Er wog den Flaschenöffner geistesabwesend in der Hand und nickte dann, als ob ihm plötzlich eingefallen wäre, was er damit machen könnte. Pete verstand nicht, was das sein sollte.
    Im Verlauf der folgenden anderthalb Stunden begriff er es.

[home]
    Teil zwei Der eigene Weg
    Das ist genau das, was ich vorhabe.
    Aber warum, weiß ich nicht.
    Gerard Schaefer,
    Serienmörder

10
    A ls der Mann auftauchte, stand Phil Banner vor Izzy’s und aß, an das Auto gelehnt, ein mit einem Pilzomelett belegtes Sandwich, für das er nicht bezahlt hatte. Es lag nicht an ihm – er wollte immer zahlen, aber Izzy lehnte jedes Mal ab –, und doch fühlte er sich wieder ein wenig schuldig. Nicht dass ihn das vom Essen abgehalten hätte oder dass er nicht mehr jeden Morgen dort aufgekreuzt wäre. Das Sandwich war dick und schmeckte lecker, eigentlich nicht dazu gedacht, mit den Fingern gegessen zu werden. Der blutbeschmierte Mann war wahrscheinlich schon seit geraumer Zeit da gewesen, doch Banner hob erst jetzt die Augen und sah ihn. Er starrte ihn gut fünf Sekunden lang an und wusste immer noch nicht, was er da vor sich hatte. Erst dann legte er hastig sein Sandwich beiseite.
    Der Mann ging mitten auf der Straße. Da es halb neun Uhr morgens und sehr kalt war, war die Straße leer, aber wie es schien, hätte auch dichter Straßenverkehr den Mann nicht von seiner Marschrichtung abgebracht. Er sah aus, als wisse er gar nicht, wo er sich eigentlich befand. Er hatte einen Rucksack, der neu und zerschlissen zugleich aussah. Dabei schlurfte er, ein Bein nachziehend wie eine Gestalt aus einem Zombiefilm, und als Phil vorsichtig ein paar Schritte auf ihn zuging, sah er, dass der Mann ganz blutverschmiert war. Das Blut schien angetrocknet zu sein, doch gab es reichlich davon. An der Stirn hatte er eine große Beule samt einer hässlichen klaffenden Wunde, dazu zahllose Schnitte und Aufschürfungen im Gesicht und an den Händen. Der übrige Körper und die ganze Kleidung war mit einer Kruste aus angetrocknetem Schlamm überzogen.
    Phil trat noch einen Schritt näher. »Sir?«
    Der Mann ging weiter, als hätte er nichts gehört. Er atmete schwer, aber regelmäßig und stieß dabei Atemwolken aus. Ein, aus, ein, aus, so als hinge von diesem Takt viel für ihn ab. Entweder so oder gar nicht. Dann drehte er langsam den Kopf. Er ging weiter geradeaus, schaute aber Phil aus blutunterlaufenen Augen an. In den Stoppeln seines Dreitagebarts hing Eis. Schon lange war Phil keinem Menschen mehr begegnet, der so verfroren aussah.
    Schließlich blieb der Mann stehen. Er blinzelte, öffnete den Mund, schloss ihn gleich wieder und schaute eine Weile die Straße hinunter. Er schien so gebannt von dem, was er dort unten sah, dass Phil ebenfalls in diese Richtung schaute. Außer der wohlbekannten Stadtsilhouette war nichts zu sehen.
    »Sir, fehlt Ihnen etwas?« Das war eine törichte Frage. Dem Mann fehlte offenkundig einiges. Aber so lautete eben die Redensart. Selbst wenn einer mit einem Messer im Kopf dahergelaufen käme – nicht dass so etwas in einem Städtchen wie diesem überhaupt passieren konnte, dass einer an einer Fischgräte erstickte, war viel wahrscheinlicher –, würde man ihn fragen, ob ihm etwas fehle.
    Die Gesichtszüge des Mannes veränderten sich langsam und unkoordiniert, und Phil merkte, dass das Ganze ein Lächeln darstellen sollte.
    »Ist das hier Sheffer?«, fragte er. Seine Gesichtsmuskeln bewegten sich nur zäh, als ob der Mund fast zugefroren wäre.
    »Ja, genau.«
    Der Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln. »Kein Scheiß.«
    »Wie bitte?«
    Der Mann schüttelte den Kopf und schien jetzt wacher zu sein, als ob das Umhertrotten nur eine lieb gewonnene Gewohnheit gewesen wäre, um bis zu dem Punkt zu gelangen, wo er glaubte stehen bleiben zu müssen. Phil hatte nun auch das Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben.
    »Das nenne ich Orientierungssinn«, sagte der Mann. »Da können Sie sagen, was Sie wollen.« Seine Gesichtsmuskeln arbeiteten wieder.
    Mittlerweile standen Izzy und ein paar seiner Stammgäste vor dem

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